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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Kuss in der Küche eines Fremden stattfinden würde, mit einem Typen, der bald dreißig wird, während sie eine Brille trägt; sie wusste nicht einmal, dass man mit Brille überhaupt küssen kann. Außerdem besteht das Risiko, dass sie vom |128| Wohnzimmer aus jeder sieht. Aber sie ist so betrunken, dass eh alles egal ist!
    Er nimmt ihr Gesicht in beide Hände, seine Finger greifen um ihren Nacken, unterhalb des Haaransatzes, seine Daumen pressen gegen ihre Ohrläppchen. Er macht einen Schritt vorwärts – in sie hinein –, bis sich ihre Körper auf voller Länge berühren. Das ist kein unbeholfener Küssversuch; so beginnt richtiger Sex. Woher sie das weiß? Sie weiß es eben. Und so ist es keine Überraschung, als er von ihr ablässt, ihr mit der Handfläche übers Haar streicht und sagt: »Wollen wir hier abhauen?«
    Sie nickt.
    Im Wohnzimmer verabschieden sie sich von den anderen. Ted bringt irgendeine Ausrede vor, die Hannah kaum mitbekommt, während sie die Runde macht und jeden umarmt, mit Ausnahme von Sarie, die offenbar bewusstlos in der Badewanne liegt. Dann stolpern sie die Treppe hinunter und in den feuchten Abend hinaus. Sie erörtern, wo sie hingehen sollen, in ihre Wohnung oder in seine, und entscheiden sich für ihre, weil Hannahs Mitbewohnerinnen Jenny und Kim übers Wochenende verreist sind. Hannahs Hemmungen haben sich so nachhaltig in Luft aufgelöst, dass sie das Gefühl hat, sie und Ted wären gerade dem Beisein eines missbilligenden Dritten entronnen – etwa einer Großtante mit geschürzten Lippen.
    Der Zug ist knallvoll – schwer zu sagen, warum, da der Abend schon begonnen hat, aber noch lange nicht vorbei ist –, so dass Ted und sie auf der Fahrt nach Somerville sehr eng zusammenstehen und außerdem ständig aneinanderstoßen. Selbst Hannah kann nicht unterscheiden, was durch das Ruckeln des Zuges verursacht und was von Ted oder von ihr bewusst gesteuert ist. Als sie den Bahnhof am Porter Square verlassen, geht gerade die Sonne unter, und Hannah merkt, wie die Wirkung des Alkohols allmählich |129| nachlässt. Das macht ihr aber nichts aus. Die ungleich höhere Hürde ist bestimmt die zwischen Nicht-Berühren und Doch-Berühren, nicht die zwischen Berühren und dem, was darauf folgt, was immer es auch sei. Sie gehen die Straße entlang und biegen um die Ecke zur Wohnung, die sie, Jenny und Kim zur Untermiete bezogen haben. Hannah öffnet die erste Tür, dann schließt sie die zweite mit ihrem Schlüssel auf. Als sie die Stufen zum zweiten Stock hinaufsteigt, kommt es ihr so vor, als gerate ihr Blut in Wallung und treibe sie förmlich an.
    Als sie in der Wohnung sind, sagt er: »Gibst du mir eine Führung?«
    Neben der wenig aufregenden Küche und dem wenig aufregenden Wohnzimmer gibt es nur noch die Schlafzimmer. Hannah und Jenny teilen sich einen Raum mit zwei Einzelbetten; Kim zahlt einen höheren Anteil und hat in ihrem Einzelzimmer ein Doppelbett. Hannah sieht, dass sie ihr Bett heute morgen nicht gemacht hat, als sie mit Ted neben Kims zerwühlten cremeweißen Laken steht, und just in diesem Moment küsst er sie wieder. Das dauert ein paar Minuten, nach einer Weile nimmt er ihr die Brille ab. Sie schweigen beide, und die Wohnung ist so still, erst recht im Vergleich zum Lärm in Ricks Wohnung, dass Hannah die Geräusche, die sie produzieren, besonders intensiv wahrnimmt, dieses leise Schmatzen. Sie wünschte, sie hätte daran gedacht, eine CD einzulegen. Bald legen sie sich hin – es geschieht irgendwie –, und es spielt keine Rolle mehr. Sie liegt auf dem Rücken, ihre Füße baumeln über den Rand hinaus ins Leere, er beugt sich über sie, und plötzlich sind sie beide in die Kissen hochgerutscht. Erst knöpft er ihre Bluse auf, dann greift er nach hinten, um ihren BH aufzuhaken. »Kannst du bitte das Licht ausmachen?«, fragt Hannah, doch er gibt keine Antwort. »Machst du das Licht bitte aus?«, sagt sie etwas lauter. »Der Schalter ist neben der Tür.«
    |130| »Aber ich will dich doch sehen«, entgegnet er.
    Das kommt nicht in Frage. »Bitte«, sagt sie und stupst ihn in die Seite. Gerade küsste er ihren Nacken, nun hält er inne und betrachtet sie, bevor er aufsteht, um auf den Schalter zu drücken. Dann fragt er: »Hast du denn was zum … na ja, zum Verhüten da?« Er legt sich wieder hin, eher neben Hannah als auf sie drauf.
    »Ich dachte, darum kümmert sich der Mann.« Hannah kichert, gleich ist es ihr wieder peinlich, auch wenn Ted wohl nicht zu den Typen zählt,

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