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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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du überhaupt Fig genannt?«, fragt Oliver, während Hannah denkt,
das kommt nicht in Frage. Schluss, Aus, Ende
. Vor allem, da Olivers Frage die reinste Farce ist; Hannah hat ihm nicht ein-, sondern sogar zweimal erzählt, wie Fig zu ihrem Spitznamen kam. Das erste Mal war ganz am Anfang, als sie ihm ihre Familie beschrieb, und dann hat sie es ihm auf dem Flug nach Philadelphia ein weiteres Mal erklärt. Mag sein, dass er es nach dem ersten Mal vergessen hat, seinem ausgezeichneten |233| Gedächtnis zum Trotz, an das zweite aber muss er sich zwangsläufig erinnern.
    »Wegen Hannah«, antwortet Fig. »Sie konnte
Melissa
nicht aussprechen.«
    »Aber jetzt lässt du es freiwillig zu«, sagt Oliver. »Es ginge auch anders.«
    »Es passt zu mir«, meint Fig. »Ich bin eben feigensüß.«
    »Du meinst, du bist durchgeknallt genug, um dich so nennen zu lassen«, sagt Nathan, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen. Fig knüllt die Serviette, die unter ihrem Weinglas liegt, zusammen und wirft damit nach ihm. Sie trifft ihn am Hinterkopf. Nach wie vor dreht er sich nicht um, sondern betastet flüchtig die Stelle.
    »In Assyrien galt die Feige als Aphrodisiakum«, erklärt Oliver, woraufhin Hannah aufsteht und den Raum verlässt. Jede Wette, dass seine Behauptung erstunken und erlogen ist, von allem anderen abgesehen. Natürlich wusste sie von vornherein, dass es nicht gerade brillant war, Oliver zur Hochzeit ihrer Mutter mitzubringen, aber sie hatte der Versuchung nicht widerstehen können. Dieser gutaussehende, charismatische Mann gehört in gewisser Weise zu ihr; dafür braucht sie Zeugen.
    In der Küche erledigen Hannahs Mutter und Tante Polly den Abwasch. Hannahs Mutter hat sich eine Schürze über ihr beigefarbenes Hochzeitskleid aus Satin gebunden. »Mom, das darfst du heute nicht«, sagt Hannah. »Lass mich mal.«
    »Och, das macht mir gar nichts. Aber du würdest mir wirklich einen großen Gefallen tun, wenn du Frank begleitest; gleich fährt er Mrs. Dawes nach Hause, und du kannst ihm den Weg weisen. Sie sind beide in der Eingangshalle.«
    Bei der Vorstellung, Oliver und Fig unbeaufsichtigt zurückzulassen, beschleicht Hannah ein mulmiges Gefühl, |234| aber was soll sie machen? Im Grunde ist es ihr fast lieber, der Gesellschaft dieser beiden zu entkommen.
     
    Während sie, Frank und Mrs. Dawes die acht Stufen hinabsteigen, die vom Haus zum Auto führen (am frühen Nachmittag hat Hannah die Stufen freigeschaufelt, nachdem es nicht länger schneite), könnte man sie als zufälliger Beobachter von der anderen Straßenseite dem bloßen Augenschein nach für blutsverwandt halten, denkt Hannah, demnach wäre sie die Enkelin in ihren Zwanzigern, Frank der Sohn mittleren Alters und Mrs. Dawes die Großmutter. Dabei kennen sie sich kaum. Mrs. Dawes stützt sich auf Franks Arm, Hannah geht unmittelbar vor den beiden. Sie kommen nur äußerst mühsam voran. Mrs. Dawes trägt schwarze Pumps mit niedrigen Absätzen und Schleifen aus schwarzem Rips, hauchfeine fleischfarbene Seidenstrümpfe und ein schwarz-rotes Wollkostüm, das gerade von einem langen schwarzen Wollmantel verdeckt wird. Ihre Handtasche ist aus schwarzem Leder, und ihre Knöchel sind so dünn wie bei Hannah, als sie noch zur Grundschule ging. Das Haar, zu einem spröden grauen Pagenkopf geschnitten, wobei die Spitzen sich leicht nach außen wellen, lichtet sich derart, dass man Teile der rosigen Kopfhaut darunter hervorschimmern sieht. Sie sollte einen Hut oder einen Schal anziehen, denkt Hannah, die selbst weder Hut noch Schal trägt.
    Zum Glück hat Frank den Motor samt Heizung bereits gestartet. Unten angelangt, bugsieren er und Hannah Mrs. Dawes in den Beifahrersitz; bevor Frank die Tür schließt, fragt Hannah: »Mrs. Dawes, möchten Sie sich vielleicht anschnallen? Soll ich den Gurt für Sie schließen?«
    »Danke, nicht nötig«, antwortet sie.
    Hannah steigt hinten ein, auf Mrs. Dawes’ Seite, Frank |235| setzt sich ans Steuer. Er fährt einen Mercedes. Während ihr Vater in etwa einem Dobermann gleicht, den man stets bei Laune halten, ordentlich füttern und vor Unbill oder Überraschungen aller Art schützen muss, so dass er in jeder Situation den Takt vorgeben kann, ist Frank so liebenswürdig, dass Hannah nicht genau weiß, was er für einen Charakter hat. Vor diesem Wochenende ist sie ihm erst zweimal begegnet: Zunächst im Sommer und dann, als Frank, Hannahs Mutter, Hannah, Allison und Sam über Thanksgiving nach Vail fuhren; die Fünfergruppe

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