Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
das Komische war, sie hätte das Geld brauchen können. Sie bekam nur hunderttausend Dollar für die Hauptrolle in Something’s Got to Give, was für jene Zeit vielleicht nach viel klingt, aber wenn man bedenkt, dass Liz Taylor für Cleopatra eine Million bekam– und wenn man ein Filmstar ist, muss man leben wie ein Filmstar…
Jedenfalls war Marilyn an diesem Abend also in ihrer » Tarnung«, aber sie hatte sich einen Tisch in der Nähe ihres Bilds an der » Wall of Fame« geben lassen– jene gerahmten Karikaturen von berühmten und vielleicht nicht ganz so berühmten Filmstars und anderen Hollywoodgrößen, die bis 1929 zurückreichten. Und sie stellte sicher, dass sie einen Tisch mit einer Telefonbuchse bekam, damit die Bedienung ihr ein Telefon bringen konnte, falls ein wichtiger Anruf kam. Kaum hatten wir Platz genommen, kam außerdem ein Mädchen mit einem Tablett voll Zigaretten und einer Kamera daher und bot an, für einen Dollar ein Bild von uns zu schießen, und Marilyn sagte: » Sicher, Schätzchen, warum nicht?«
Ich verstand die Logik nicht ganz– welchen Sinn hatte es, inkognito irgendwohin zu gehen, wo einen garantiert trotzdem jeder erkannte. Die ganze Zeit, die ich in der Nähe dieser Frau verbrachte, habe ich nicht das Geringste von ihr verstanden. Andererseits habe ich sie wahrscheinlich nie erlebt, wenn sie nicht geschauspielert hat.
» Du schaust sie an und siehst einen weltberühmten Filmstar«, sagte Katja einmal. » Aber in ihrem Innern ist sie wie ein kleines Mädchen, das Angst hat, ein Nichts zu sein, wenn man das blonde Haar und die Brüste weglässt. Sie will um ihrer selbst willen, bedingungslos, geliebt werden und nicht als Sexobjekt.«
Bedingungslose Liebe. Klar, das hörte sich gut an, aber ich hatte schon vor langer Zeit entdeckt, dass so gut wie alles mit Bedingungen verknüpft ist. Trotzdem, vielleicht erklärt das, wieso eine weltberühmte Schauspielerin und eine Kameraassistentin die besten Freundinnen werden konnten.
Denn wenn Katja Orlowa dich liebte, dann tat sie es bedingungslos.
Während wir an diesem Abend im Brown Derby unsere Salate aßen, fing Marilyn also an, in ihrer gehauchten Schlafzimmerstimme von Sex zu reden.
» Wenn es Oscars dafür gäbe, es vorzutäuschen«, sagte sie, » hätte ich so viele davon auf dem Kaminsims stehen, dass er zusammenbrechen würde. Ich habe einige meiner besten schauspielerischen Leistungen gezeigt, indem ich meine Liebhaber davon überzeugt habe, dass ich in ekstatischer Verzückung war.«
» Ich bezweifle, dass sie so viel Überzeugungsarbeit brauchten«, sagte ich und dachte, dass es den Kerlen, mit denen sie geschlafen hatte, wahrscheinlich schnurzegal war, ob sie kam oder das » Halleluja« sang.
Sie schnitt mir eine Grimasse, aber ihre Augen funkelten vergnügt, denn sie liebte es, aufgezogen zu werden, und ihr gefiel der Gedanke, dass ich mir in genau diesem Augenblick wahrscheinlich vorstellte, wie es wäre, sich mit ihr im Bett auszutoben, und da lag sie nicht falsch. Ich war ja nicht tot.
Aber dann wurde ihr Lächeln spröde, und ein verlegenes Schweigen senkte sich auf den Tisch. Katja, stets Marilyns Retterin, sagte deshalb: » Du hast kaum etwas von deinem Salat gegessen, sondern ihn nur auf dem Teller herumgeschoben. Du musst essen. Du wirst zu dürr.«
Das amüsierte Marilyn so sehr, dass sie den Unterarm ausstreckte, sich kräftig zwickte und wieder lachte. » Jack mag mich dünn. Er hat es nie rundheraus gesagt, aber ich glaube, er fand mich eine Weile zu dick. Er mag es, wenn ich mit nichts als einem Pelzmantel am Leib vor ihm posiere, und dann mache ich diese Schulterbewegung, und der Mantel rutscht herunter…«
Katja und ich wechselten einen Blick, aber keiner von uns sagte etwas. Für Marilyn war es, als wären wir gar nicht da, oder sie war einfach zu begriffsstutzig, um zu bemerken, wie absolut bizarr es war, wenn sie so nonchalant davon erzählte, wie sie mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten vögelte.
» Um die Wahrheit zu sagen, Jack ist im Bett wie ein Jüngling«, fuhr sie fort, » aber es ist trotzdem irgendwie süß, und es spielt keine Rolle, denn er spricht tatsächlich über Politik mit mir. Er behandelt mich wie jemanden, der Verstand hat und nicht nur aus Arsch und Titten besteht.«
Ich musste blinzeln, als ich das hörte, ich konnte nicht anders. Ich hielt mit einer Gabel Salat auf halbem Weg zum Mund inne und versuchte, diesen bemerkenswerten Fall von Selbsttäuschung zu
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