Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Beichte gehört hatte, und die Polizei ging davon aus, dass es sich bei dem Täter um einen Drogensüchtigen oder Obdachlosen handelte, da alle Opferstöcke aufgebrochen und ausgeraubt worden waren.
Doch Ry wusste es besser. Er spürte eine Benommenheit, fast Übelkeit, als er die Spuren eines Kampfs registrierte– beiseitegestoßene Bänke, die leeren Ringe an der Beichtstuhltür, wo der Vorhang abgerissen worden war. Dom hatte sich gewehrt, aber welche Chance hatte ein Priester gegen einen bewaffneten Profikiller? Ry ballte frustriert die Hände zu Fäusten, denn es war bereits passiert, und er war zu spät gekommen.
Dann sah er noch mehr Absperrband, das um eine kleine Kapelle neben der Sakristei gespannt war. Seine Schritte hallten in dem Gewölbe wider. Er atmete den Duft von Kerzenwachs und Weihrauch ein, ehe ihm der andere Geruch brutal in die Nase stieg. Blut. Es roch nach dem Blut seines Bruders, und Ry wäre fast in die Knie gegangen.
Er taumelte, streckte blindlings die Hand aus und verfing sich in dem gelben Band. Er riss es mit einem Aufschrei ab. Wut und eine schreckliche, vernichtende Trauer erfüllten ihn. Die Schweinehunde, die das getan hatten, diese Schweinehunde …
Ich werde euch jagen und jeden Einzelnen von euch zur Strecke bringen.
Er fiel auf die Knie und beugte sich vornüber. Seine Augen brannten, und seine Kehle fühlte sich wund an. Er wollte sich die Seele aus dem Leib schreien. Er hasste es, dass er zu spät gekommen war, hasste es, dass Dom und er sich so wenig gesehen hatten in diesen letzten zehn Jahren, weil sie so verschiedene Wege eingeschlagen hatten.
Er hasste es, dass er noch da war, allein.
Er schlug mit der Faust so hart auf den Marmorboden, dass fast etwas gebrochen wäre. Aber der Schmerz hatte sein Gutes– er führte ihn ins Hier und Jetzt zurück.
Langsam richtete er sich auf. Er sah zu dem kleinen Altar, der im Halbdunkel lag, zu der Gipsstatue der Jungfrau Maria und dem großen bronzenen Kerzenleuchter rechts von ihr, der merkwürdig fehl am Platz wirkte. Als müsste es auf der anderen Seite noch einen zweiten, passenden Leuchter geben.
Er sah lange in das zu liebliche Gesicht der Jungfrau. Dann zwang er sich, den Rest des Schauplatzes anzusehen. Ein umgekipptes Gestell für Votivkerzen, hart gewordene Wachstropfen und Brandspuren. Blutflecken und Spritzer, die in den porösen Marmorboden eingesickert waren. Und noch etwas, ein Anblick, den er nicht ertrug, an den er nicht einmal denken wollte: der mit Kreide gezeichnete Umriss einer Person, an der Stelle, wo sein Bruder gestorben war.
Doms Leiche würde inzwischen im Leichenschauhaus sein. Eine Masse aus Fleisch, Knochen und Organen, mit Spuren für die Gerichtsmediziner, aber nicht mehr sein Bruder.
Nicht mehr Dom.
Ry schlüpfte durch den Hinterausgang der Sakristeitür, aber er blieb noch im Schatten der Kirche stehen, riss sich den Priesterkragen vom Hals und atmete tief die feuchte, schwüle Luft ein. Er musste den Geruch des Bluts seines Bruders aus dem Kopf bekommen.
Es half ein wenig, zumindest so weit, dass er halbwegs klar denken konnte. Bis auf ein gelegentlich vorbeifahrendes Auto wirkten die Straßen um die Kirche verlassen. Aber die Mörder, dachte Ry, konnten immer noch in der Nähe sein. Sie hatten sicherlich mit den Angreifern auf sein Haus in Washington in Kontakt gestanden, sie wussten von seiner Flucht, und sie würden sich denken können, dass er von seinem Bruder gehört hatte. Also würden sie auch annehmen, dass er als Erstes hierhergeeilt war.
Sie waren irgendwo da draußen, o ja– er konnte sie praktisch spüren. Beobachteten die Kirche, warteten auf eine neue Gelegenheit, ihn sich vorzunehmen.
Sie, sie, sie… Wer waren sie?
Sie hatten Dom ermordet, und sie versuchten, ihn zu töten, und er wusste noch immer nicht, wieso. Aber er wusste, wo er möglicherweise einige Antworten finden würde.
Bei Lafittes Schatz.
Sobald ich aufgelegt habe, hatte Dom gesagt, werde ich deshalb alles, was Dad gesagt hat, aufschreiben und bei Lafittes Schatz hinterlegen.
Er und Dom waren in einem kleinen Häuschen einen Block vom Strand entfernt auf der Halbinsel Bolivar aufgewachsen, einem abgelegenen Streifen Land, der Galveston vom Golf von Mexiko trennte und nur per Fähre erreichbar war.
Eines Sommertags, als er acht war und Dom zehn, erkundeten sie die Marschen und Sanddünen und kamen an eine verlassene, schon halb verfallene Hütte. Ry war überzeugt, sie musste mindestens hundert
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