Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Mann scheint angespannt auf etwas zu warten. Plötzlich lässt er den Schirm aufspringen und hebt ihn hoch über seinen Kopf. Ist es ein Zeichen für den Mann mit dem Gewehr? Denn die Kamera springt jetzt hinunter zur Straße, und der Wagen des Präsidenten kommt in Sicht, er kommt näher und näher. Die Kamera zoomt auf dieses berühmte, lächelnde Gesicht, holt es so nahe heran, dass es die Wand der Wohnung ausfüllt.
Er sieht glücklich aus, er spielt für die Menge, genießt die Beweihräucherung, den Jubel. Dann hält seine Hand mitten im Winken inne, und er dreht sich halb zu Jackie um. Hat er etwas gehört? Etwas gesehen?
Plötzlich greift er sich mit beiden Händen an die Kehle. Er sieht sehr überrascht aus, und Jackie reagiert jetzt ebenfalls, sie sieht hinüber zu ihrem Mann, versteht nicht, was bereits geschehen ist, was gleich noch geschehen wird. Dann begreift sie es, und ihr Gesicht wird von Entsetzen verzerrt.
Der Fahrer blickt sich jetzt ebenfalls um, und der Wagen wird langsamer, langsamer, bleibt stehen …
Und der Kopf des Präsidenten explodiert in einem roten Sprühnebel, und Stücke von etwas Weißem – ist es sein Schädel? – fliegen durch die Luft.
Die Kamera zuckt und bewegt sich dann rasch über die Menge, zeichnet die Hysterie, das Entsetzen auf, die tonlos schreienden Münder. Dann wechselt die Kamera zurück zu dem Lincoln, der jetzt Fahrt aufnimmt, ein Secret-Service-Mann rennt neben ihm her und springt auf den Kofferraum, wo ein Stück vom Schädel des Präsidenten gelandet ist und wo Jackie in ihrem rosa Kostüm und ihrem Hut hinausklettert, um es zu holen, als müsste sie es nur wieder einsetzen, und er wäre wieder heil.
Die Kamera geht nahe auf den Präsidenten, der jetzt reglos im Sitz zusammengesunken ist. Sie verweilt auf ihm, beinahe liebevoll, beinahe mit einer verrückten Präsentationsgebärde, als wollte sie demonstrieren: Schaut, er ist tot, schaut doch, sein Hinterkopf ist fort.
Und dann entfernt sich die Kamera, als wäre sie plötzlich angewidert, mit einem Ruck von dem Blutbad, schwenkt zurück auf den Täter, der sich gerade bückt, um die leeren Patronenhülsen aufzuheben. Als er sich aufrichtet, schaut er direkt in das Objektiv und grinst über das ganze Gesicht: Scheiße, ich hab’s geschafft, oder?
Dann dreht er sich schnell um und läuft zu einem anderen Mann, der dasteht und wartet, einem Mann in einer Art Uniform. Kein Polizist allerdings, denn er trägt einen gestreiften Overall und eine Schirmmütze, wie ein Eisenbahner in einem Kinderbuch. Der Attentäter wirft ihm im Vorbeigehen das Gewehr zu, dann verschwindet er vom Schauplatz.
Die Kamera zeichnet jede Bewegung des Mannes im Overall auf, als er flink und schnell das Gewehr zerlegt und in einer Werkzeugkiste verstaut, dann geht er entlang den Eisenbahngleisen auf einige geschlossene Waggons zu.
Langsam zerfließen die Waggons zu Weiß.
24
Zoe starrte auf die leere Wand, während das Ende der Filmrolle auf der sich drehenden Spule ein ums andere Mal an den Projektor schlug. Ihr Verstand weigerte sich zu arbeiten, aber ihr Mund tat es.
» Ach du heiliger Strohsack.«
Sie blickte weiter auf die Wand, als erwartete sie, mehr zu sehen, vielleicht Lee Harvey Oswalds Verhaftung und seine Ermordung durch Jack Ruby, vielleicht die Vereidigung Lyndon B. Johnsons als Präsident, während Jackie Kennedy in ihrem blutbefleckten rosa Kostüm mit ausdruckslosem Gesicht neben ihm steht.
Aber es kam nicht mehr. Es war vorbei, und sie war zu einer Geschichtszeugin geworden. Der wahren Geschichte, nicht des frisierten Berichts der Warren-Kommission.
Sie sah zu Ry, der reglos dastand und genau wie sie zuvor auf die leere Wand starrte. Dann hob er die Hand, und sie zuckte erschrocken zurück. Aber er schaltete nur den Projektor aus.
Sein kalter, leerer Gesichtsausdruck machte ihr Angst.
Langsam, vorsichtig sagte sie: » Was um alles in der Welt geht hier vor? Woher wussten Sie, dass meine Großmutter diesen Film hat? Warum hatte sie ihn? Ich weiß, er ist echt. So etwas könnte man nicht fälschen… oder?«
Ry legte den Film in die Dose zurück und warf diese aufs Bett. » Nein, er ist echt.«
» Ich will ihn mir noch einmal ansehen«, sagte Zoe, als sie sah, dass er den Projektor aufzuräumen begann. » Dieser Mann mit dem Gewehr, der Attentäter, ich glaube, ich habe ihn schon einmal irgendwo gesehen. Und da war noch ein Typ, der mit dem Schirm, ja? Er ist dem Mann wie aus dem Gesicht geschnitten,
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