ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
Namen von Soldaten, die ich nicht kannte und die sich auch nicht im Raum befanden. Vielleicht würde ich sie auch niemals kennenlernen. Anna fuhr mit den Details der Mission vor und während sie sprach, wuchs in mir die Angst. Wir würden noch heute aufbrechen und die Gefahr zu sterben war sehr groß. Der Tod machte mir noch immer keine Angst, die anderen sterben zu sehen schon.
„Wir werden, soweit dies möglich ist, auch Unterstützung aus der Luft bekommen. Alle Personen, die an dieser Mission teilnehmen, werden selbstverständlich von uns mit Waffen und Ausrüstung ausgestattet. Wie bereits gesagt, ist der Schutz der ersten Gruppe die höchste Priorität. Wir müssen damit rechnen von Dronen unter Beschuss genommen zu werden und auch der Einsatz von Kampfstoffen wie Gas ist durchaus möglich. Das Grenzgebiet ist zudem dicht vermint.“
„Was ist, wenn irgendetwas schief läuft? Gibt’s einen Plan B?“ Ich sah zu Veit, der die Frage gestellt hatte. Anna zögerte einen kurzen Moment.
„Nein. Es gibt keinen Plan B. Sollte die Mission scheitern, wird sie als Totalverlust behandelt.“
„Was bedeutet ‚Totalverlust‘?“ Ich hatte den Satz ausgesprochen ohne weiter darüber nachzudenken und Veit fing laut an zu lachen, bevor er mir eine Antwort darauf gab.
„Es bedeutet, dass niemand uns retten kommt, wenn diese Mission sich in Scheiße verwandelt. Die lassen uns zum Sterben da.“ Sagte er voller Hohn. Ich sah mit einem geschockten Gesichtsausdruck zu Anna, die sich nur auf die Unterlippe biss und den Augenkontakt mit mir scheute. Es war tatsächlich wahr. Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus, in dem verzweifelten Versuch mich zu beruhigen. Niemand sagte etwas.
„Dann dürfen wir eben nicht scheitern.“ Sagte ich schließlich. Meine Stimme klang selbstsicher. Geradezu überzeugt, obwohl ich es ganz und gar nicht war. Ich öffnete die Augen wieder und sah direkt zu Rubinov, der mir ein süffisantes Grinsen zuwarf. Ihn schien meine aufgesetzte Stärke nicht zu überzeugen, aber zumindest gefiel ihm wohl der Versuch. Mit einem Satz erhob er sich aus seinem Sessel und baute sich in gewohnt steifer Pose vor uns auf. Anna nahm sofort wieder Platz.
„Damit wäre dann zur Ausführung der Mission alles gesagt. Allerdings möchte ich noch ein paar kurze Worte an sie richten. Sie stellen heute Nacht alle ihr Leben in den Dienst der Freiheit und der Gerechtigkeit. Was auch immer heute passiert, Sie werden Helden bleiben, denn Sie haben sich entschieden, das Richtige zu tun.“ Rubinov unterbrach seine Worte für eine kurze, dramatische Pause. Ich konnte nicht fassen, wie er sich einfach das Recht herausnahm, unser Handeln zu heroisieren oder nur zu bewerten. Die meisten von uns würden diese Nacht vermutlich nicht überleben und mir war mehr als bewusst, dass ihn das nicht im Geringsten interessierte. Seine Worte waren nur aufgeblasenes Gerede ohne die kleinste Bedeutung oder eine tiefere Botschaft. „Wir werden alle, was auch immer geschieht, diese Ideale verteidigen und Russland wird weiterhin alles tun, um die Menschen in Europa zu unterstützen. Wir glauben an das Streben dieser Menschen nach Freiheit und wir respektieren jedes Individuum. Als Zeichen dieses Respekts und als Symbol für den Kampf, den Sie alle Kämpfen, wollen wir Ihnen noch eine Kleinigkeit mit auf den Weg geben. Ich hoffe sehr, dass es Sie inspiriert und antreibt.“
Wie auf ein unsichtbares Kommando gingen die Türen auf, kaum dass Rubinov seine kleine Ansprache beendet hatte. Zwei Männer trugen etwas hinein. Ich erkannte es nicht sofort. Erst, als sie ihre Fracht auf den Tisch legten sah ich, was es war. Flaggen. Zusammengefaltete Flaggen. Auf jeder einzelnen lag ein Namensaufsatz für unsere Uniformen, mit Grys, Veits, Radus und meinem Nachnamen darauf. Die Fahnen darunter, zeigten die Farbe und das Muster der jeweiligen Länder, aus denen wir kamen. Es waren die Flaggen, die jedes Land in Europa hatte, bevor wir alle vereinigt wurden. Als eine Flagge noch ein Symbol für einen souveränen Staat war. Ich starrte nur auf den Tisch und wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Radu griff sich seinen Namensaufsatz und heftete ihn an seine Uniform. Danach nahm er die Fahne an zwei Enden, legte sie sich quer über den Rücken und band sie vorne an seiner Brust zusammen. Veit tat es ihm gleich und nach
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