Alter Hass rostet nicht
FBI am Hals.
Michael blieb in seiner Schmollecke. Dann verweigerte Knudson ihm die wöchentliche Lieferung Kokain.
Am nächsten Tag wurde die Galerie wieder geöffnet. Zwei Wochen später stand das FBI auf der Matte.
Das war für John Reeves das Signal zum Aufbruch gewesen. Er hatte die Zeitung abbestellt und bei der Post einen Nachsendeauftrag an eine Fantasieadresse in Mexiko veranlasst. Sein Verschwinden wäre lange nicht bemerkt worden.
Dann tauchten die Feds auch bei ihm auf, und sein schöner Plan war Makulatur.
Die Suppe hatte ihm gut getan. Er spürte, wie sein Blutdruck sich langsam normalisierte. Der Kaffee war nur lauwarm, aber das störte ihn nicht.
Beobachtete ihn die Verkäuferin hinter der Theke? Warum schaute sie immer wieder zu ihm herüber? Oder wurde er langsam paranoid?
Nicht die Nerven verlieren, murmelte er. Du hast es bald geschafft. Alles, was du brauchst, ist ein verdammtes Yellowcab!
Er starrte durch das beschlagene Fenster nach draußen auf die Straße. Ein paar Tropfen fielen. Ob sie den Flughafen überwachen lassen? Kalter Schweiß auf seinem Rücken ließ ihn frösteln. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. In den Polizeiserien im Fernsehen taten sie das. Er würde am Ticketschalter die Augen aufhalten müssen. Gewonnen hatte er das Spiel erst, wenn der Flieger abhob.
Dann sah er das Yellowcab. Das mittlere Licht auf dem Dach war eingeschaltet, also war es frei. Als er aufsprang, fiel sein Stuhl um und der restliche Kaffee ergoss sich über den Tisch. Suzie Wong schickte ihm einen Fluch hinterher.
Das Taxi kam langsam näher. Der Fahrer schien es nicht eilig zu haben. Wahrscheinlich hielt er Ausschau nach der nächsten Fahrt. John Reeves winkte ihm so heftig zu, dass er fast das Gleichgewicht verlor. Das Taxi rollte an den Straßenrand und nahm ihn auf.
»Sie schickt der Himmel«, stöhnte John Reeves, als er sich auf die Rückbank fallen ließ.
»So könnte man sagen«, erwiderte der Fahrer und musterte seinen Fahrgast aufmerksam im Rückspiegel. »Wo soll’s denn hingehen?«
»JFK Airport«, antwortete Reeves, lehnte sich in die weichen Polster zurück und schloss die Augen.
Erst als es zu spät war, merkte er, dass der Fahrer, ein kräftiger Afroamerikaner im mittleren Alter mit zwei Reihen blendend weißer Zähne, genau die entgegengesetzte Richtung einschlug und direkten Kurs auf den East River nahm.
***
»Einblutungen der Hals- und Nackenmuskulatur, umblutete Abbrüche von Zungenbein und Schildknorpelfortsätzen …«
Es war ein Fehler gewesen, nicht zu frühstücken, fuhr es mir durch den Kopf. Einen Arbeitstag, der in der Pathologie beginnt, sollte man unbedingt mit einem reichhaltigen, gut bekömmlichen Frühstück beginnen.
»… außerdem petechiale Blutungen von Glottis, Pleura und Perikard …«, fuhr Dr. Drakenhart fort und strich sich das Haar mit der linken Hand aus dem Gesicht.
Den Mann, der jetzt nackt auf dem Autopsietisch lag, hatten wir keine zwanzig Stunden früher in seiner Wohnung besucht.
»Ein Straßenkehrer entdeckte die Leiche heute Morgen gegen sechs Uhr im East River in Höhe der Waterside Apartments. Auf meinem Tisch ist er vor einer halben Stunde gelandet.«
»Ertrunken?«
Dr. Drakenhart verdrehte vorwurfsvoll die Augen.
»Dann hätten wir zum Beispiel ein Emphysema aquosum sowie hämolysierte Pleurablutungen – um nur zwei grundlegende Unterschiede zum Tod durch Erwürgen zu nennen.«
»Also wurde der Mann erwürgt?«, erkundigte Phil sich überflüssigerweise. Vermutlich hatte er auch noch nicht gefrühstückt.
»Hundert Punkte für Sie, Agent Decker«, konstatierte Dr. Drakenhart nicht ohne einen Anflug von liebevoller Häme.
Ich drehte den Kopf des Mannes, der einmal John Reeves gewesen war, zur Seite und deutete auf ein ausgeprägtes Hämatom an der linken Schläfe.
»Was ist das?«
Dr. Drakenhart zuckte die Schultern.
»Vielleicht ist er gestürzt oder mit dem Kopf gegen die Ufermauer geprallt. Fest steht nur, dass er die Verletzung erlitten hat, bevor er erwürgt wurde und im East River gelandet ist.«
»Ich brauche ein Foto«, sagte ich.
»Bekommen Sie mit dem Bericht«, nickte Dr. Drakenhart und streifte sich die Handschuhe ab.
»Es ist eilig.«
»Erzählen Sie mir was Neues.«
Wir verabschiedeten uns von Dr. Drakenhart und hofften, dass wir sie nicht so schnell wiedersehen würden.
Ich kannte ein Diner in der Nähe, wo man für wenig Geld ein ausgezeichnetes Frühstück bekam. Wir setzten uns nach draußen
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