Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition)
dass wir dir bei deiner Suche nicht helfen werden. Dein Krieg betrifft dein Volk, und wir wollen damit nichts zu tun haben. Aber weil du den Baum des Lebens gerettet hast, gestatten wir dir, den Kontakt mit seiner Seele herzustellen. Danach wirst du mit deinen Freunden zum Steg zurückbegleitet, und ihr müsst das Große Nest ein für alle Mal verlassen. Es liegt an ihnen, ob sie dich wieder an den Rand des Trockenen Meeres bringen wollen, sofern du nach Hause zurückzukehren wünschst. Damit enden unsere Nachsicht und unser Vertrauen. Danach sind wir dir nichts mehr schuldig.«
Ambre stand in der Mitte des Amphitheaters, das im Herzen des Bambuswaldes errichtet war.
Die schimmernde Substanz in den Lampen warf ihr silbriges Licht auf die leeren Bänke, während der Wind in den Bambusstauden rauschte.
Orlandia, Faellis und Clemantis beobachteten Ambre.
Das Mädchen starrte auf die drei Meter hohe Kugel, die sich im Zentrum des Amphitheaters langsam drehte. Sie schien aus leuchtendem Dunst zu bestehen, der auf wundersame Weise elektrisch aufgeladen war, so dass die feinen Haare auf Ambres Unterarmen sich aufstellten.
Ambre streckte sachte die Hand nach der Kugel aus und trat darauf zu.
Die Kugel drehte sich immer schneller und gab ein helles Pfeifen von sich, wie ein Brummkreisel.
Ambres Zeigefinger berührte die äußersten Dunstringe.
Eine sanfte Liebkosung strich über ihren Unterarm hinauf bis in ihren Kopf. Es war herrlich angenehm. Ein Gefühl von Harmonie durchströmte sie.
Die Bambusstauden jenseits des Amphitheaters raschelten in dem stärker werdenden Wind, dann fuhren drei von Donner begleitete Blitze vom Himmel.
Die Kugel hielt plötzlich inne. Aus dem Licht lösten sich Rauchschwaden und ringelten sich um Ambre. Sie drangen unter ihre Kleider und schmiegten sich an ihre Haut. Ambre spürte ein leichtes Kitzeln. An ganz bestimmten Stellen ihres Körpers.
Sie tastet mich ab. Sie untersucht die Muttermale auf meiner Haut. Sie liest den Text auf mir!
Die Dämpfe verdichteten sich, und Ambre hatte den Eindruck, ein warmes Milchbad zu nehmen. Sie spürte den Boden unter den Füßen nicht mehr, eine Welle von Wohlgefühl strömte durch ihre Adern, prickelnde elektrische Stöße, und ihr ganzer Körper wurde plötzlich von einer ekstatischen Hitze erfüllt, die ein Lächeln auf ihr Gesicht zauberte.
Gras strich über ihre Wangen, der Geruch von feuchter Erde nach einer Regennacht stieg ihr in die Nase, die Spannung eines Sommergewitters entlud sich auf ihrer Haut, und sie hatte den Geschmack von salzigem Meerwasser auf der Zunge.
Ihre körperliche Hülle war verschwunden, hatte sich im Dunst aufgelöst, und Ambre begriff, dass sie sich jetzt in der Lichtkugel befand. Sie reiste in der Zeit zurück durch die Evolution, ihre DNS entfaltete sich in diesem grellen Licht, setzte sich neu zusammen. Sie teilte jedes Molekül ihres Wesens mit dieser archaischen Kraft.
Ambre spürte, dass der Kraft kein Bewusstsein innewohnte, nur eine Energie, die einem einzigen Leitprinzip folgte: sich und das Leben zu verbreiten.
Ein unendlicher Kreislauf.
Ambre war vom Herzen der Erde absorbiert worden.
DRITTER TEIL
Das Inferno
51. Die Falle schnappt zu
D er Krieg hatte begonnen.
Heimlich. Hinter schroffen Hügelketten und im Schutz dichter Wälder. Dort, wo die Leichen schnell unter der wuchernden Pflanzendecke verschwinden und die aufgeschlitzten Rüstungen von Efeu umrankt werden würden.
Die gesamte Erste Armee der Zyniks hatte sich in Trupps von je fünfzig Mann aufgeteilt, um sich unauffällig in das Territorium der Pans vorzupirschen, im Osten an der Hauptstadt vorbeizuziehen und sich nördlich von Eden für den großen Angriff zu sammeln.
Doch unterwegs wurden sie von den fünfhundert Pan-Kriegern überrumpelt, die Eden ausgebildet und in den Untergrund geschickt hatte.
Die Pans lagen in Gebüsch oder in Gräben, hinter Farnwedeln oder Baumstämmen auf der Lauer und stürmten urplötzlich auf die nichtsahnenden Erwachsenen los. Die Zyniks hatten den kurzen, wilden Angriffen kaum etwas entgegenzusetzen: Sie waren zu wenige, trugen nur selten ihre ganze Rüstung und achteten mehr auf ihre Vorratswagen, die immer wieder im Schlamm einzusinken drohten, als auf verdächtige Geräusche im Wald ringsum. Dieser Leichtsinn rächte sich nun bitter.
Wo immer das Gelände es zuließ, schickten die Pans ihre Bogenschützen vor, um einen direkten Zusammenstoß zu vermeiden.
So wurde die Erste Armee innerhalb von
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