Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition)
Fernglas.
Matt blickte in die Richtung, in die sie zeigte, und erkannte ein gigantisches Gefährt, das auf die Spitze eines Hügels zukroch. Es ähnelte den Karnevalswagen, die Matt bei Paraden in den Straßen von New York gesehen hatte, nur war es noch viel, viel größer. Ein riesiges Gebäude aus Bambus, mit einer Dachterrasse und einer Reihe von Balkonen, auf denen Soldaten in Rüstung wachten.
Der Wagen wurde von sieben Fahnenträgern flankiert, die rot-schwarze Banner mit einem silbernen Apfel in der Mitte in die Höhe reckten.
Die ungeheure Erscheinung ruhte auf zwei riesigen Tausendfüßlern, so lang und hoch wie Lastzüge. Ihre Beine hoben und senkten sich in einer fließenden Bewegung, die an die Raupenkette eines Panzers erinnerte.
Als Matt Malronce’ General auf einen der Balkone treten sah, wurde ihm klar, dass seine Mutter an Bord war.
Die Königin wollte ihren Triumph höchstpersönlich auskosten.
Matt ließ das Fernglas fallen und rannte los.
Tobias fand ihn im Waffenlager.
Matt war damit beschäftigt, sein Schwert zu schleifen.
Seine kostbare Klinge, die ihm schon so oft gedient, ja das Leben gerettet hatte. Und an der das Blut vieler Menschen klebte.
Matt rieb den Stahl so verbissen an dem Schleifstein, dass seine Kiefermuskeln hervortraten.
»Wenn du so weitermachst, brichst du die Klinge entzwei«, sagte Tobias.
»Ich habe sie gesehen, Toby. Meine Mutter. Sie ist hier.«
Tobias nickte.
»Ich weiß.«
»Das alles muss endlich aufhören. Sie muss endlich Schluss machen mit diesem ganzen Wahnsinn.«
Matt hob die Klinge vor sich und fuhr mit dem Daumen prüfend über die Kante. Seine Fingerkuppe platzte auf wie eine überreife Frucht.
»Zuerst der Torvaderon, mein Vater, und dann sie! Ich habe genug davon, immer wegzulaufen, immer Angst zu haben. Diesmal bleibe ich, wo ich bin. Bis der letzte Zynik gefallen ist.«
Matt steckte den Daumen in den Mund, um die Blutung zu stoppen.
»Und selbst wenn es durch ein Wunder so kommt, was willst du danach machen? Du … du kannst doch nicht deine Mutter angreifen! Man kämpft nicht gegen die eigenen Eltern, das ist unmöglich!«
Matt betrachtete seinen feuchten Daumen. Ein neuer Blutstropfen quoll hervor.
»Wenn man sich ins eigene Fleisch schneidet, tut es am meisten weh, nicht wahr?«
Tobias neigte den Kopf zur Seite. Er wusste nicht so recht, worauf Matt hinauswollte.
»Nur ich allein kann das Problem Malronce regeln«, fügte Matt hinzu. »Wie, weiß ich noch nicht. Aber ich muss es tun.«
»Im Reich der Zyniks ist irgendwas durch und durch verdorben. Das lässt sich nicht so einfach aufhalten. Der Hass hat sie blind gemacht.«
»Nein, die Unwissenheit!«
»Das Ergebnis ist doch dasselbe: Sie gehorchen dem Menschen, der ihnen weismachen kann, wo es langgeht. Balthazar hatte recht, sie haben kein Gedächtnis mehr, sie sind nur leere Hüllen, die verzweifelt versuchen, dieses Vakuum zu füllen! Das macht sie so böse.«
»Ich könnte kotzen, wenn ich daran denke, was aus den Erwachsenen geworden ist.«
»Nicht alle sind so«, fügte Tobias hinzu. »Der alte Carmichael war nett … und Balthazar auch. Vielleicht gibt es noch andere, die so geblieben sind?«
»Das bezweifle ich.«
Matt wollte gerade seine Weste aus Kevlar überstreifen, als er plötzlich innehielt.
»Warte mal … Aber ja! Du hast recht!«
»Mit was?«
Matt warf sich die Weste über die Schulter.
»Ich weiß, was ich tun muss«, sagte er.
»Andere normal gebliebene Erwachsene suchen?«
»Nein. Schlafen!«
Am späten Vormittag hörte es für einige Minuten auf zu regnen.
Ein Herold der Zyniks nutzte diesen Moment dazu, auf die Festungsmauer zuzureiten. In einer Hand hielt er eine Lanze, an der die Fahne der Königin befestigt war.
Melchiot befahl den Wachposten, nicht zu schießen, da der Mann alleine kam und offensichtlich eine Botschaft zu überbringen hatte.
Zelie und Maylis stiegen auf einen Turm und sahen ihm entgegen.
»Volk der Kinder!«, rief er. »Hört, was unsere Königin Malronce euch zu sagen hat!«
Seine donnernde Stimme hallte von den steilen Felswänden wider.
»Wir hören«, rief Zelie in weniger durchdringendem Ton.
»Legt die Waffen nieder! Öffnet die Tore, und die Königin wird Milde walten lassen! Erspart euch eine qualvolle Belagerung, an der ihr zugrunde gehen werdet!«
Auf dem Turm war es totenstill geworden. Alle Pans lauschten der winzigen Gestalt am Fuß der Mauer.
»Deine Königin ist eine hinterhältige
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