ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)

Turm des Spukhauses in den Himmel. Krähen umkreisten ihn krächzend, wie Hexen, die um ein Freudenfeuer tanzen.

21. Wache
    D er Weitwanderer erzählte ihnen von den Gemeinschaften im Westen, was hier und da erfunden oder entdeckt worden war und wie sich die verschiedenen Dörfer organisierten. Er berichtete auch von Streitigkeiten, die vor allem dann entstanden, wenn man sich nicht auf einen Anführer einigen konnte. Manche Gemeinschaften hielten Wahlen ab, um einen Großen Pan zu bestimmen, in anderen ergab sich das von selbst, wie bei ihnen auf der Insel. Matt erfuhr, dass vielerorts dieser recht brüchigen Harmonie harte Auseinandersetzungen vorausgegangen waren. In den ersten Wochen hatten sich zunächst die ältesten und rücksichtslosesten Jugendlichen durchgesetzt und die Abwesenheit der Erwachsenen ausgenutzt, um eine Art Gewaltherrschaft aufzubauen. Es hatte eine Weile gedauert, bis sich die anderen auf ihre Überzahl besonnen hatten und wieder die Vernunft regierte. Dennoch wurden immer noch einige Gemeinschaften von brutalen Kerlen dominiert, die alle jüngeren Pans wie Sklaven behandelten. Noch wagte niemand, sich einzumischen, aber die Kritik an diesen Zuständen wurde immer lauter.
    Nachdem der Weitwanderer sich gewaschen hatte, konnte man erst richtig erkennen, wie viele beeindruckende Verletzungen er hatte: mehrere Schnittwunden am Hals, ein halbes Dutzend Blutergüsse auf dem Unterarm und dazu noch der grünlich blau schillernde Fleck auf der geschwollenen rechten Hand. Matt wurde bewusst, welches Risiko die Weitwanderer auf sich nahmen, um Neuigkeiten von Gemeinschaft zu Gemeinschaft zu tragen, Hoffnung zu verbreiten und den Pans neuen Mut zu geben. Jetzt verstand er noch viel besser, warum alle ihnen so großen Respekt und Dankbarkeit entgegenbrachten.
    Ben entfaltete ein dichtbeschriebenes Blatt Papier und las vor:
    »Es folgt eine Zusammenstellung der neuesten Entdeckungen und Fortschritte. Einige Pans, die früher auf dem Land oder sogar einer Farm lebten, haben uns Hinweise zur Wahl des richtigen Bodens und zur Aussaat mitgegeben und alles Nötige beschrieben, was wir brauchen, um Landwirtschaft zu betreiben. In der Medizin sammeln wir wertvolle Kenntnisse, vor allem bei der Heilung von Bein- und Armbrüchen. Hier ist eine aktualisierte Liste der Beeren, die man nicht essen darf; es hat einige Fälle von Vergiftung gegeben, drei davon waren tödlich. Wie immer werde ich im Anschluss dem Großen Pan der Insel alle Einzelheiten mitteilen, und er wird mich im Gegenzug über die Fortschritte in eurer Gemeinschaft unterrichten, die den anderen Pans im Lande von Nutzen sein können.«
    Nachdem der Weitwanderer über anderthalb Stunden gesprochen hatte, dankte er seinen Zuhörern, die zum Zeichen der Anerkennung lange mit den Gläsern auf die Tische hämmerten. Dann verließen die Pans unter aufgeregtem Geplapper den Saal.
    Matt schob sich so unauffällig wie möglich durch die Tür unter der großen Treppe und fand problemlos den Wandschrank. Tobias wartete bereits dort im Dunkeln.
    »Mann, was für eine schräge Idee, sich in einem Wandschrank zu verabreden!«, wisperte Tobias. »Ihr zwei passt echt gut zueinander!«
    »Hast du keine Lampe mitgebracht?«, fragte Matt in die Dunkelheit hinein.
    »Warte.«
    Zwischen Tobias’ Fingern tauchte ein schneeweißer Schein auf.
    »Erinnerst du dich an das Stück von dem Leuchtpilz? Es schimmert immer noch genauso hell.«
    Da schlüpfte Ambre durch die Schranktür.
    »Das ist ja genial!«, rief sie begeistert, als sie das Pilzstück sah.
    »Wir haben es auf unserem langen Weg hierher gefunden. Also, was machen wir?«
    In dem blassen Licht sahen ihre Gesichter gespenstisch aus.
    »Ich finde, wir sollten zum Haus des Minotaurus gehen«, sagte Ambre.
    »Zum Spukhaus?«, fragte Tobias entgeistert.
    »Matt hat recht. Von dort aus können wir alle Ein- und Ausgänge des Kraken beobachten, ohne dass uns irgendetwas entgeht.«
    Tobias machte ein skeptisches Gesicht; er fand die Vorstellung sichtlich gruselig.
    »Mir gefällt das nicht.«
    »Ich hole von oben Decken«, schlug Matt vor, »und werfe sie euch durchs Fenster zu. Tobias, in der Zwischenzeit gehst du in die Küche und versuchst etwas Obst aufzutreiben. Wir haben eine lange Nacht vor uns.«
    Gesagt, getan. Wenig später stolperten die drei den halb zugewachsenen Weg in Richtung Minotaurus entlang. Jeder trug eine Decke auf der Schulter, und Ambre ging mit einer Öllampe in der Hand voraus.
    Im flackernden