ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
Öllampen warfen unheimliche Schatten an die Wände, während ihre Beine sie wie von selbst vorwärtstrugen.
Schon ragte der Käfig vor ihnen auf und versperrte ihnen den Weg. Matt kreuzte die Finger zur Räuberleiter, doch bevor Ambre sich nach oben zog, sah sie noch einmal mahnend zu ihm hinunter.
»Das ist das letzte Mal, dass ich einen Rock anziehe! Schau bitte nach unten, während ich hochklettere.«
Sobald sie auf dem Käfigdach angelangt war, drehte sie sich um und streckte die Hände aus. Matt nahm ein paar Schritte Anlauf, sprang und packte die Stangen so weit oben wie möglich. Er stemmte die Füße gegen das Eisen und stieß sich so kräftig ab, dass er ihre Hand zu fassen bekam und sich den letzten Meter nach oben ziehen konnte. Keuchend hievte er sich neben sie.
»Du bist der Größte«, rief sie und ließ sich auf der anderen Seite zu Boden gleiten.
Verschwitzt und mit hochroten Köpfen kamen sie in den Rauchsalon, wo Tobias auf einem Ledersofa kauerte.
»Was macht ihr denn für Gesichter?«, fragte er verblüfft.
»Wir haben den Minotaurus gesehen!«, stieß Matt hervor.
»Wirklich? Seid ihr sicher?«
»Absolut sicher!«
Ambre schien zu zögern. Sie wandte ein:
»Na ja, es sah zumindest …«
Matt blickte sie scharf an.
»Was soll das denn sonst gewesen sein? Es war größer als ein ausgewachsener Mann und hatte einen Stierkopf!«
»Ja, aber vielleicht war es eine Verkleidung.«
»Und was ist mit dem lauten Schnauben, das er ausgestoßen hat? War das vielleicht auch nur Verkleidung? Und hast du diese donnernden Schritte gehört? Erstens hat kein Mensch Hufe, und zweitens gibt es niemanden auf der Insel, der beim Gehen so laut trampelt. Dazu müsste man mehr als hundert Kilo wiegen!«
Ambre nickte widerstrebend. Das war nicht zu leugnen, auch wenn sie für alles eine rationale Erklärung suchte.
»Das stimmt«, gab sie zu. »Es war beeindruckend. Ein Mensch hätte sich anders angehört.«
Da fiel ihr plötzlich ihr Fund wieder ein. Sie zog den Zeitungsausschnitt unter ihrer Bluse hervor, faltete ihn auseinander und legte ihn auf den Sofatisch. Matt schob seine Lampe heran.
»Na lies schon«, sagte er.
Ambre beugte sich über das Blatt und las flüsternd vor:
» Michael Ryan Carmichael erweitert seine Villa auf der sogenannten ›Insel der Milliardäre‹ um einen neuen Turm. Der ehrwürdige Erbe eines allseits bekannten Industriekonzerns, der sich schon seit Jahren nahezu ausschließlich seiner Leidenschaft für Astronomie widmet, hat laut eigener Aussage beschlossen, dass es an der Zeit sei, nach den Sternen zu greifen. In einem Gespräch mit unserem Reporter äußerte er seinen Stolz darüber, endlich die ›höchste private Sternwarte an der gesamten Ostküste‹ zu bauen. Der Magnat, der vor dreißig Jahren für Furore sorgte, als er sich seiner Faszination für den Himmel zuliebe aus dem Geschäftsleben zurückzog, wird nach Fertigstellung seines Teleskops wohl noch weniger in der Öffentlichkeit zu sehen sein als bisher. ›Das Weltall ist unendlich viel interessanter als jeder noch so kultivierte und unterhaltsame Mensch. Wozu sollte ich auf etwas verzichten, das mein ganzes Glück bedeutet?‹, soll er einmal gesagt haben. Als menschenscheuer Einsiedler scheint Michael R. Carmichael das alte Klischee zu bestätigen, dass Reichtum oft ein wenig wunderlich macht. Was man davon auch halten mag, wir wünschen Herrn Carmichael schon jetzt schöne Stunden beim Beobachten der Sterne und einen klaren Himmel über seiner Insel!«
Tobias studierte das Foto eines alten Mannes mit zerfurchtem Gesicht und buschigen weißen Augenbrauen, das neben dem Text abgedruckt war.
»Ich glaube, das ist eine Regionalzeitung«, bemerkte Ambre. »Der Artikel ist acht Jahre alt.«
»Er muss kurz vor dem Tod des alten Herrn erschienen sein«, meinte Matt. »Doug hat mir erzählt, dass er gestorben ist, als er acht oder neun Jahre alt war. Und jetzt ist er sechzehn.«
»Das bedeutet, dass der Alte kaum in den Genuss seiner Sternwarte gekommen ist«, überlegte Tobias, den dieser Gedanke traurig machte. »Vielleicht spukt jetzt sein Geist im Haus herum.«
Ambre seufzte.
»Da habe ich so meine Zweifel«, sagte sie.
»Doug hat mich angelogen«, stellte Matt fest. »Das bestätigt die Tatsache, dass man ihm nicht trauen kann. Er hat mir gesagt, dass sein Vater die Insel gegründet hat, aber sie heißt Carmichael, wie dieser alte Mann da. Wahrscheinlich war er als Erster hier.«
»Und wenn sie
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