Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
Fenster stand. Lorenz sah hinaus ins Tal. Eine Weile stand er so da. Er hörte, wie Rita hinter ihm den Kaffee einschenkte, einen Zuckerwürfel in ihre Tasse fallen ließ und umrührte.
»Du trinkst immer noch schwarz?«, fragte sie.
»Ohne Zucker, ohne Milch, immer noch«, antwortete Lorenz.
»Ich brauche ein bisschen Zucker«, meinte Rita. »Ich habe nicht zu Mittag gegessen und bin eben zwei Stunden durch den Wald gelaufen.«
»Allein?«
»Warum fragst du?«
Lorenz drehte sich vom Fenster weg und sah seine Enkeltochter an. »Ich vermisse diesen riesigen Kerl, den du eigentlich sonst gerne dabei hast. Zuletzt konnte er nicht, nun bist du schon wieder ohne ihn da.«
»Hat nichts mit dir zu tun, wenn du das meinst«, sagte Rita.
»Nein, mein Liebchen, das denke ich gar nicht.« Lorenz trat an den kleinen Tisch und setzte sich. Der Alte betrachtete Rita sehr genau. »Du siehst müde aus«, sagte er dann. »Vielleicht sollten wir etwas Vernünftiges essen gehen.«
Rita schüttelte den Kopf. »Nee, lass mal, Opa. Ich bin nicht hungrig. Nur vielleicht wirklich etwas müde.«
Lorenz erwiderte nichts, und so tranken beide schweigend ihren Kaffee. Rita sah sich im Zimmer um. Es hatte sich einiges verändert in den letzten Monaten. Der kleine Schreibtisch, auf dem der Computer stand, sah aus, als würde dort regelmäßig gearbeitet. Neben dem Rechner standen Fotos, eines von Oma und Opa Bertold und eines von ihr selbst, als sie noch klein war, spielend im Garten der Großeltern. Rita stand auf und trat näher, um das Bild genauer zu betrachten. Es hatte einen leichten Gelbstich bekommen. Sie selbst, ein kleines Mädchen mit weißblonden Haaren, wie sie den Garten in Unordnung bringt; im Hintergrund, eher zufällig in den Sucher geraten, die Oma mit ihrem gütigen Lächeln. Rita strich mit den Fingerspitzen sanft über das Bild. »Ich vermisse Oma Bertold.«
Lorenz seufzte: »Frag mich.«
Rita sah ihren Opa an. »Wir alle in der Familie vermissen sie.«
»Wen meinst du damit?«, fragte Lorenz zurück.
»Papa zum Beispiel.«
Lorenz winkte ab. Da er keine Anstalten machte zu antworten, fragte Rita: »Warum sprecht ihr nicht miteinander?«
Als Antwort erhielt sie nur ein Brummen. Der Alte lehnte sich zurück, faltete die Hände vor dem Bauch und starrte vor sich hin. Rita spürte, dass er über die Beziehung zu seinem Sohn kein Wort sagen würde. Zuerst hatte sie geglaubt, dass die beiden nicht mehr miteinander sprachen, weil ihr Vater den Verkauf des Hauses und den Umzug von Opa in die Seniorenresidenz betrieben hatte. Doch das erschien ihr kein ausreichender Grund für das Ausmaß der Eiszeit zwischen den beiden. Rita nahm sich vor, das zu klären. Jetzt war jedoch nicht der richtige Moment dafür.
Rita wandte sich vom Schreibtisch ab und ging durch das Zimmer. Vor einem bunten Bild, das an der Wand neben dem Durchgang zum Schlafzimmer hing, blieb sie stehen. Es roch nach frischer Ölfarbe. Das Gemälde zeigte die Burg Nideggen, die aus leuchtend orangefarbenen und gelben Steinen erbaut schien, auf einem Fundament violetter Felsen und umgeben von Bäumen, deren blaue Wipfel in einen hellgrünen Himmel ragten. »Schön«, sagte sie. »Das ist ja ein Original.«
Lorenz stand auf und trat zu ihr. Seine Stimmung schien sich aufgehellt zu haben. »Ist das nicht wunderbar?«, meinte er. »Obwohl alles etwas verrückt bunt ist, glaubt man doch irgendwie, es seien die wahren Farben, die man sonst nur nicht sehen kann.«
»Wer hat das gemalt?«
Lorenz antwortete nicht sofort.
Rita lachte. »Aber natürlich! Bärbel, die Künstlerin. Wer sonst? Ein Geschenk?«
»Nee, hab's ihr abgekauft«, sagte Lorenz knapp. »Willste noch einen Kaffee?«
»Gern«, antwortete Rita. »Hast du vielleicht ein paar Kekse dazu?«
Lorenz ging in sein Schlafzimmer und kam kurz darauf mit einer Dose zurück. »Und was ist jetzt mit deinem Paul?« Er stellte die offene Dose auf den Tisch. Dann füllte er einen Kessel mit Wasser und setzte ihn auf eine kleine Herdplatte.
Rita seufzte. »Wir sehen uns im Moment nicht so häufig.«
»Ärger?«
»Nicht so richtig – also nicht so, wie du vielleicht meinst.«
Lorenz meinte lapidar: »Ach, ich wusste eigentlich noch gar nicht so genau, wie ich das meine. Deshalb frage ich ja dich.«
»Und warum sollte ich dir etwas erzählen?«, fragte Rita zurück. »Du wolltest mir eben auf meine Frage auch nicht antworten.«
Lorenz schaute seine Enkelin lange an, dann nahm er einen Kaffeefilter und
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