Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
Bärbels helles Lachen. Wenn die Geräusche zwischendurch leiser schienen, hörte Lorenz seinen Herzschlag an den Schläfen pochen. Er wurde schläfrig. Die Sonne schien ihm plötzlich sehr warm, und es fiel ihm ein, dass er eben noch seine Jacke hatte ablegen wollen. Jetzt war er zu faul dazu. Er murmelte, ohne die Lippen zu bewegen: »Kommissar Wollbrand entschied, dass er noch weit davon entfernt war, ins Schwitzen zu geraten, und überließ sich seiner Entspannung.«
Der Alte ließ seine Gedanken treiben. Die Umgebung trat aus seinem Bewusstsein, die leisen Geräusche um ihn herum hätten von irgendwoher an sein Ohr dringen können. Vielleicht saß er auch im Garten seines Hauses. Dort, wo der Rasen vor der Terrasse von Bäumen gesäumt in einen milden Schatten auslief. Dort, wo Maria einen jahrelangen Kampf gegen das Moos führte, den er immer belächelt hatte. Das Moos war doch weich und grün, warum sein stetes Vordringen eindämmen? Lorenz atmete tief ein und ließ die warme Luft durch seine Lungen strömen. Vielleicht schnitt Maria gerade die Rosen? Im Herbst befreite sie ihre Rosensträucher beinahe täglich von den verblühten Köpfen. Lorenz hörte das beruhigende, regelmäßige Schnippen der Gartenschere. Nach einigen Schnitten, wenn die linke Hand der unermüdlichen Gärtnerin voller brauner, trockener Blütenreste war, entstand eine kleine Pause, bis die dürren Überbleibsel gestriger Schönheit in einem Korb verschwunden waren. Dann begann das Schnippen von Neuem. Lorenz genoss dieses träge Dahindösen. Wenn Maria um ihn herum war und irgendeiner Tätigkeit nachging, wie nur Hausfrauen es konnten, konnte ein solcher Moment eine Minute oder auch ein ganzes Leben andauern.
Lorenz seufzte, als das Bild sich langsam aufzulösen begann und seine Gedanken in die Gegenwart zurückkehrten. Er versuchte noch kurz, das Gefühl von Geborgenheit und zeitlosem Glück festzuhalten, doch spürte er die Vergeblichkeit dieser Bemühung. Maria war niemals krank gewesen. Dann hatte man einen Knoten in ihrer Brust entdeckt, und ein paar Monate später war sie gestorben. Lorenz holte tief Luft und öffnete die Augen. Sein Garten war endgültig verschwunden. Sein Haus, sein Leben mit Maria waren unwiderruflich vorbei.
»Noch einen Kaffee, Herr Bertold?«, fragte eine freundliche Stimme. Eine Angestellte des Hauses war neben ihn getreten. Sie hielt eine Kanne in den Händen und wartete geduldig auf eine Antwort. Irgendwie ging das Leben also weiter.
»Nee, danke.« Lorenz beobachtete, wie die Frau lächelnd seine leere Tasse vom Tisch nahm und dann weiterging. Er spürte, wie müde er war, und schloss erneut die Augen. Zu seinem Erstaunen waren sein Garten und das Haus sofort wieder vor seinem inneren Auge, so, als hätten sie dort noch etwas Dringendes zu erledigen. Die Sonne war mittlerweile schon tief gesunken, und es wurde kühler. Maria hatte ihn etwas gefragt, und er versuchte sich zu erinnern, was es gewesen war. Es war jener Nachmittag, an dem ihre Tochter sie besuchen wollte. Sie hatte kein Auto, und er wollte sie vom Bahnhof abholen. Doch sein Sohn hatte gesagt, er sei ohnehin in der Stadt und könne dies übernehmen. Später versuchten sie, den Sohn zu erreichen. Doch er war nicht zu Hause. Er kam aber auch nicht mit seiner Schwester vom Bahnhof. Er kam gar nicht, und sie auch nicht.
Lorenz öffnete die Augen. Er sah sich um und bemerkte, dass einige Zeit vergangen sein musste. Die meisten anderen Heimbewohner waren schon ins Haus zurückgegangen. Bärbel kam gerade über die Wiese und trat lächelnd auf ihn zu. »Lorenz, mein Lieber. Du siehst verschlafen aus.«
»Das liegt vermutlich daran, dass ich geschlafen habe.«
Bärbel lachte. »Ich bringe mein Zeug weg, dann gehen wir vielleicht noch etwas spazieren, oder?«
»Weiß nicht. Ja, vielleicht«, meinte Lorenz und stand auf. »Weißt du, wo Gustav ist?«
»Nee. Traust du dich nicht, mit mir allein zu gehen?« Bärbel ging lachend davon, ohne eine Antwort abzuwarten.
Lorenz brummte: »Der alte Kommissar entgegnete darauf nichts. Vermutlich weil es ihm peinlich gewesen wäre, die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.«
21. Kapitel
Die Wärme des Tages hatte sich nicht lange gehalten. Die Nacht versprach kühl zu werden. Der Leichenwagen stoppte in einer dunklen Gasse. Als die Hydraulik den schwarzen Citroen abgesenkt hatte, stiegen der Fahrer und Kastriot Kreshnik aus. Im Fond saß Paul neben Wladimir Slotin. Der Pate legte Paul eine Hand auf die
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