Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
Wasser beträgt sicher mehrere Stunden, vielleicht einen Tag.«
»Gestern war ich noch hier«, meinte Rita. »Verdammt viel Volk, das Wetter war viel besser als heute. Ist der Todeszeitpunkt noch etwas genauer bestimmbar?«
»Ich denke, etwas genauer schon. Allerdings weiß ich nicht, ob die Leiche aus dem See angespült wurde und wenn ja wann. Das Wasser des Hohenbachs ist deutlich kälter als das des Sees, und die Lufttemperatur – na ja, einen genauen Todeszeitpunkt werde ich wohl nicht liefern können. Ich vermute aber anhand der Hautbeschaffenheit und des gerade einsetzenden Insektenbefalls stark, dass er die Nacht schon hier gelegen hat.«
»Wissen wir schon, wer das ist?«, wandte Rita sich an ihren Assistenten Schmitz, der vor ihr am Tatort eingetroffen war.
Der schüttelte den Kopf. »Keine Papiere, alle Taschen leer. Nur eine Tätowierung am Unterarm.« Er wies auf die Stelle, an der ein Skorpion in die Haut gestochen worden war. »Militär, glaube ich.« Rita stimmte zu. »Denke ich auch.«
Sie spürte, wie die Kälte an ihren nassen Füßen zu nagen begann. »Wer hat uns eigentlich verständigt?«
»Ein Angler hat die Leiche gefunden und die örtliche Polizei gerufen. Jemand von denen muss das sofort mit unseren Ermittlungen in Verbindung gebracht haben. Ich glaube, das war der Willi Hurtz aus Nideggen.«
»Ist der da?«
»Nee.«
Rita hatte noch mehr Fragen, doch in diesem Moment kündete der Vibrationsalarm ihres Handys eine eintreffende SMS an. Mehr aus Reflex als aus Neugier las sie den Text.
Gehe hundert Meter den Bach hoch
.
Der Absender war nicht erkennbar. Rita schüttelte den Kopf und blickte den Bachlauf hinauf. Dort war nichts zu sehen. Nach ein paar Sekunden zeigte das Telefon erneut den Eingang einer Nachricht an. Rita las:
Jetzt!
Sie sah sich überrascht um. Ihre Hand fuhr unter das Jackett, wo die Walther P99 im Schulterholster ruhte.
»Was ist?«, fragte Schmitz.
»Nix«, antwortete Rita. »Ich schau mich hier mal ein bisschen um.« Dann verließ sie das Seeufer und ging den Bach entlang in den Wald hinein. Nach geschätzten einhundert Metern hielt sie inne. Sie war allein. Nichts war zu sehen. Das Telefon meldete sich. Wieder eine Nachricht:
O.K., hundertzwanzig Meter
.
Die Kommissarin schüttelte den Kopf und ging weiter. Nach kurzer Zeit bemerkte sie einen Pfeil, der aus abgebrochenen Ästen auf dem schmalen Pfad neben dem Bach ausgelegt worden war. Der Pfeil wies zur Seite, direkt auf ein dichtes Gebüsch. Rita zögerte und griff nach ihrer Waffe. Wieder meldete sich das Telefon. Der Text lautete diesmal:
Lass stecken, Schatz!
Dann knackte es im Unterholz, und die Zweige teilten sich.
»Paul!«, rief Rita überrascht aus. Paul duckte seine riesenhafte Gestalt und legte einen Finger an den Mund. Dann packte er Rita und zog sie in das Dickicht. Dicht standen sie voreinander und sahen sich tief in die Augen. Beide zögerten einen Moment, und dann bog Rita den Kopf etwas zurück, sodass er sie nicht küssen konnte. Paul bemerkte es und zog sich ebenfalls ein Stück zurück. Dann meinte er: »Bitte, ich habe nicht viel Zeit. Es ist gefährlich für mich, hier zu sein. Und doch muss ich dir einiges erklären.«
Rita schüttelte den Kopf. »Weniger als du glaubst. Ich weiß, dass du in einer verdeckten Ermittlung steckst.«
Nun war es an Paul, überrascht zu sein. »Du weißt?«, fragte er und stockte. Dann fügte er schnell hinzu: »Dann ist dir auch klar, dass das alles nicht wahr ist, was man über mich erzählt.«
»Natürlich weiß ich das, du großer Dummkopf.« Rita versuchte ein Lächeln. »Sonst hätte ich dich längst aufgespürt.«
»Dann wäre ich jetzt schon tot«, versetzte Paul. »Ich bin in eine üble Gesellschaft geraten.«
»Ich weiß«, sagte Rita leise. »Ich wusste es von Anfang an.«
Paul sah sie fragend an, dann schien er zu verstehen. Er schluckte, erwiderte aber nichts.
»Bitte verzeih mir«, sagte Rita.
»Darüber reden wir später«, antwortete Paul mit fester Stimme. »Jetzt sprechen wir über den toten Söldner da unten.«
»Du weißt, wer der Tote ist?«
»Sonst wäre ich nicht hier«, stieß Paul hervor. Er wirkte plötzlich hektisch, beinahe gehetzt. »Der Mann gehört zur Truppe eines serbischen Kriegsverbrechers namens Branco Sadic, der für den Paten der Russenmafia, Wladimir Slotin, arbeitet. Er wurde mit Sicherheit von Ali Achmed getötet, einem Killer der türkischen Mafia aus Köln.«
»War das gestern auf dem
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