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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Seeschwalbe.
    Das weiße Viereck wurde von Minute zu Minute größer. Jetzt waren sämtliche Dorfbewohner auf den Beinen und eilten zum Strand hinunter, und Marrah mit ihnen. Stavan, der gerade vom Feld gekommen war, wo er Rhom dabei geholfen hatte, ein krankes Kalb zu pflegen, war ebenfalls dort, und wenig später kam Arang mit einem halben Dutzend Kinder angerannt, alle so aufgeregt, daß die Erwachsenen alle Hände voll zu tun hatten, um sie davon abzuhalten, ins Wasser zu springen.
    »Ich sehe die Flagge!« rief einer der kleinen Jungen.
    »Ich kann die geschnitzte Galionsfigur am Bug sehen!« »Es ist die
Baßtölpel!«
    »Nein, ist es nicht. Es ist die
Graugans!«
    Aber es war die
Baßtölpel,
mit Rhoms unzuverlässigen Verwandten an Bord, die durch die ruhigen Gewässer auf Lezentka zusteuerte, während ihre blau-weiße Flagge in der Frühlingsbrise flatterte. Der Wind, der die Segel füllte, hatte das Schiff in Rekordzeit von Gira hergebracht, und als die fünf Männer und Frauen, die die Besatzung bildeten, in die Brandung sprangen und den Dorfbewohnern halfen, das Boot auf Rundhölzer zu ziehen und außer Reichweite der Wellen zu rollen, riefen sie ihren Angehörigen bruchstückweise Neuigkeiten zu. »Alle wohlauf. Haben keine Fracht verloren. Die Göttin hat uns eine ruhige Überfahrt beschert.«
    »Wir haben eine Ladung honigfarbenen Feuerstein mitgebracht ...«
    »Und Früchte, die Granatäpfel genannt werden.«
    »Obsidian und Oliven.«
    »Schöne Gürtel und einen neuen Weihrauchbrenner für den Tempel.«
    »Die alte Yasha ist diesen Winter gestorben, und sie werden die neuen Zwillingsbabypriesterinnen beim Schlangenfest auswählen.«
    »Es wird das größte Schlangenfest seit Menschengedenken sein. Es geht das Gerücht um, daß die Königin des Westens und ihre Frauen diesmal tatsächlich mit den Delphinen die Lust teilen werden, damit ein Zwillingspaar Delphinbabies geboren werden kann, um sie durch die harten Zeiten zu führen, die die alte Yasha vor ihrem Tod vorausgesagt hat. Also, das ist ein Anblick, den ich zu gerne sehen würde! «
    Der Händler, der die Neuigkeit über die Delphine verkündete, war ein dunkelhaariger, drahtiger Mann, der das Kommando zu haben schien. Offensichtlich war dies der Fall, denn Marrah sah, wie Rhom auf ihn zuging und auf ihn einzuschimpfen begann, weil er im letzten Sommer von Lezentka ausgelaufen war, ohne zu warten, bis die Jaditäxte und Federcapes eingetroffen waren.
    »Aber mein lieber Vetter«, protestierte der Händler, »wenn wir noch länger darauf gewartet hätten, daß ihr drei Landschnecken endlich aus dem Wald herauskriecht, wären wir mitten in die Winterstürme geraten, genau wie es die Wünschel-Muscheln vorausgesagt hatten, und wo wären wir fünf dann jetzt wohl? Zur Erdenmutter heimgekehrt, mit dem Mund voller Seewasser! Und die
Baßtölpel
würde irgendwo auf dem Meeresgrund vermodern.«
    Rhoms andere vier Verwandten – zwei Männer und zwei Frauen – mischten sich in den Streit ein, und obwohl er wie üblich sehr laut ausgetragen wurde, schien ihn niemand sonderlich ernst zu nehmen. Es wurden ein paar Entschuldigungen vorgebracht, gefolgt von herzlichen Umarmungen mit gegenseitigem Schulterklopfen und großzügigen Versprechungen, die eindeutig niemand zu halten beabsichtigte. Mehrere Tonkrüge mit giranischem Wein wurden aus dem Laderaum geholt, geöffnet und herumgereicht, und als Rhom ein paar kräftige Schlucke davon gekostet hatte, war er wieder in versöhnlicher Stimmung.
    An jenem Abend wurde ein Willkommensfest für die heimkehrende Besatzung der
Baßtölpel
veranstaltet. Zwei Wochen später, nachdem ihr Rumpf von Seetang und Muschelbesatz gesäubert worden war und ihre Segel geflickt waren, gab der Dorfrat seinen Segen, und das Boot lief erneut in Richtung Gira aus, mit Marrah, Arang und Stavan an Bord.
    Obwohl sie damit gerechnet hatte, daß ihr der Abschied von Shema, Zastra und Rhom schwerfallen würde, stellte Marrah überrascht fest, daß ihr auch Lezentka selbst fehlte. Während der vergangenen Monate war das Dorf eine Art Zuhause für sie geworden, und es war zuerst ein komisches Gefühl – und sogar ein bißchen furchteinflößend –, weit draußen auf dem Meer zu sein, wo kein Land mehr in Sicht war, aber das Wetter war schön, der Wind blies kräftig und gleichmäßig, und keiner wurde seekrank.
    Sogar Stavan entspannte sich spürbar. Am dritten Tag der Reise spielte er bereits Glücksspiele mit Rhoms Vettern, wobei er

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