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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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um zu begreifen, daß sie sangen.
    Sie waren freundlich, also gab es keinen Grund, in Panik zu geraten, aber was ging hier eigentlich vor, und wo war Dalish? Wenn Marrah jemals eine Dolmetscherin gebraucht hatte, dann jetzt, aber Dalish war nirgendwo zu sehen und auch Arang nicht. Sie blickte an den singenden Frauen vorbei und sah, daß das Leben im Lager zum Stillstand gekommen war. Fleisch brutzelte unbewacht über den Kochfeuern, kleine Kinder rannten unbeaufsichtigt umher, und die Männer waren allesamt irgendwo hingegangen –vermutlich zu Zuhans Zelt, um Slehans Bericht des Überfalls auf Shambah zu hören. Vielleicht feierten sie seinen Sieg, denn als die Frauen erneut das Geträller anstimmten, begannen irgendwo Trommeln zu dröhnen. Der Klang der Trommeln erregte die Frauen noch mehr. Der Gesang stieg zu schrillem Heulen an, und ein paar von den jüngeren Frauen hakten einander unter und begannen, um Marrah herumzutanzen und ihr Worte zuzurufen, die zu verstehen sie sich inbrünstig wünschte. Während die Frauen tanzten, drängten sie sich immer enger um sie, so daß sie zurückweichen mußte, um nicht mit ihnen zusammenzustoßen. Erst nach einer Weile begriff sie, daß sie sie langsam zum Fluß hinuntertrieben, doch selbst als ihr klar wurde, daß sie vorhatten, sie ins Wasser zu bugsieren, konnte sie nichts anderes tun, als immer weiter zurückzuweichen.
    Am Fluß angekommen, packten die drei Frauen, die sich auf sie gestürzt hatten, ihre Handgelenke und zogen sie ins Wasser. Zum Glück war der Fluß seicht, denn sobald Marrah bis zur Taille im Wasser stand, versuchten sie, sie unterzutauchen. Marrah wehrte sich gegen sie, aber sie lachten nur und stießen sie noch kräftiger an. Als sie anfingen, sie mit einer Handvoll feinen Sands zu schrubben, begriff Marrah, daß sie sie nur baden wollten, und sie fügte sich in ihr Schicksal.
    Das Wasser war kalt, aber nicht sonderlich kalt für jemanden, der am Meer der Grauen Wogen aufgewachsen war, und da Marrah sich nicht länger sträubte, waren die Frauen überraschend sanft. Sie zogen ihr die Tunika aus, lösten ihr Haar und wuschen es mit einer Art Pflanzensaft, der schwach nach Minze duftete. Dann führten sie sie ans Ufer, rieben sie mit einer sauberen Decke trocken und setzten sie auf einen Felsen, und eine begann, ihr Haar auszukämmen, während der Rest singend und im Rhythmus in die Hände klatschend um sie herumstand.
    Bis zu diesem Zeitpunkt war das Bad eine mehr oder weniger angenehme Erfahrung gewesen, doch bald wurden die Dinge wieder seltsam. Als ihr Haar gekämmt und halbwegs trocken war, trat eine Frau mit einem Beutel vor, dessen Inhalt sich als ranzige Butter entpuppte. Marrah protestierte und versuchte ihnen mit verzweifelten Gebärden klarzumachen, daß sie den Geruch abstoßend fand, aber entweder verstanden sie nicht, oder es kümmerte sie nicht. Sie ignorierten ihre Proteste und schmierten ihr Haar vom Ansatz bis zu den Spitzen mit Butter ein, während sie sie ununterbrochen anlächelten, als täten sie ihr einen großen Gefallen. Nachdem ihre Locken auf einen einzigen, klebrigen Strang reduziert waren, der wie eine lange, fettige Schlange aussah, flochten sie ihr Haar erneut, wanden den Zopf um ihren Kopf und steckten Federn und Muscheln hinein.
    Als Marrah aufstand, hatte sie das Gefühl, einen Pudding auf dem Kopf zu balancieren, aber die Frauen waren offenbar der Ansicht, sie sähe hübsch aus, denn sie lächelten und nickten begeistert. Statt ihrer alten Beinlinge und der Leinentunika, die sie seit Shambah getragen hatte, gab man ihr neue Kleider aus filziger weißer Wolle und weiße Lederstiefel, die an den Knöcheln gebunden wurden. Als Marrah darauf bestand, ihren alten Gürtel und den Medizinbeutel zu behalten, erlaubten sie es ihr – allerdings nicht ohne lange Diskussion und heftiges Stirnrunzeln. Zum Schluß hüllten die Frauen sie in einen langen weißen Schal, der nur ihre Augen freiließ, und brachten sie wieder zum Zelt zurück.
    Und das war's. Marrah hatte erwartet, zu Zuhan geführt zu werden oder zumindest in das Zelt der Königin, doch statt dessen saß sie den ganzen Nachmittag allein da, gut gebuttert und zu einem unförmigen weißen Bündel gekleidet. Draußen fuhren die Frauen fort, zu singen und zu tanzen, und die Trommeln dröhnten unaufhörlich weiter, aber zu wessen Ehren die Feier auch immer stattfand, Marrah schien nicht dazu eingeladen zu sein. Vielleicht war es auch ganz gut so. Sie befürchtete zwar

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