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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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ritt er, mit einem Speer und einer Streitaxt bewaffnet, mit den übrigen Männern davon, obwohl er nicht das geringste über Krieg wußte, bis auf die Spiele, die Jungen spielten, und die Geschichten, die die Männer erzählten, wenn sie nachts am Lagerfeuer saßen.
    Seine Ausbildung war schnell und brutal. Seit dem Raubüberfall der Tcvali war so viel Schnee gefallen, daß es für die Hansi eigentlich unmöglich hätte sein müssen, die Tcvali in der riesigen Steppe aufzuspüren, aber sie hatten Chinzu dabei, den besten Fährtenleser des Grasmeers, und er folgte jeder Erhebung im Schnee, jedem Staubkörnchen, bis sie den Rauch der feindlichen Feuer am Horizont aufsteigen sahen. Da sie wußten, daß sich die Tcvali in Sicherheit wähnten, warteten sie bis kurz vor Morgengrauen und fielen dann über das Lager her, überrumpelten den Feind und töteten jeden Mann, jede Frau und jedes Kind, bis auf einige junge Mädchen, die verschont wurden, um Sklavinnen und Konkubinen zu werden.
    Als die Zelte der Tcvali nur noch Schutt und Asche waren und das Blut der Toten im Schnee versickert war, teilten sie die überlebenden Frauen unter sich auf und ritten zurück zum Lager, während sie in ihrem Triumph schwelgten und Siegeslieder sangen. Es war ein höchst erfolgreicher Überfall gewesen, und zwar um so mehr, weil die Tcvali nicht damit gerechnet hatten, noch so spät in dieser Jahreszeit angegriffen zu werden, wenn wilde, eisige Stürme aus dem Norden bliesen und ein Trupp von Kriegern umkommen konnte, bevor er überhaupt eine Chance zum Angriff gehabt hatte.
    »Heil dir, Zuhan! « sangen die Krieger, als sie einander Beutelflaschen aus Tierhaut zuwarfen, die gegorene Stutenmilch enthielten, und tranken, bis sie betrunken waren. »Heil dem größten aller Großen Häuptlinge! «
    Nur Stavan sang nicht mit. Angstbleich und schweigend saß er auf seinem Pferd, bis ins Innerste erschüttert, daß er jemals an diesem Rachefeldzug teilgenommen hatte. Bei dem grauenhaften Gemetzel hatte sich ihm der Magen umgedreht. Er war noch keine fünf Minuten in dem Kampf gewesen, als er erkannte, daß ihn keine Macht der Welt dazu bringen würde, Frauen und Kinder zu töten, und mehr als einmal hatte er sich abgewandt, statt zuzuschlagen, eine Tat, die ewige Schande über seinen Vater gebracht hätte, hätte ihn irgend jemand dabei beobachtet.
    Doch zum Glück – und das war ausschlaggebend für seinen Ruf –hatte niemand etwas davon bemerkt. Der Rauch der brennenden Zelte hatte seine feigen Akte der Gnade verhüllt – was den Frauen und Kindern jedoch nichts genützt hatte, da sie ohnehin abgeschlachtet wurden. In der Zwischenzeit hatte es genügend Tcvali-Krieger zu bekämpfen gegeben, und Stavan hatte wild zugestochen und mit seiner Streitaxt um sich geschlagen, bis er schwindelig und benommen vor Erschöpfung war, während er bewaffnete Männer abwehrte, die ihr Bestes taten, um ihn niederzustrecken. Als alles vorbei war, war er wie alle anderen über und über mit Blut bespritzt gewesen, das meiste davon von seinen eigenen Wunden, die wie durch ein Wunder nicht allzu schlimm waren, aber er konnte keine Freude über den Sieg empfinden.
    »Stavan hat seinen Mann getötet«, sangen die Krieger. Chinzu, sein ältester Vetter, hatte ihn angegrinst und ihm einen Beutel mit gegorener Stutenmilch zugeworfen, und Stavan hatte in tiefen Zügen getrunken, während er sich fragte, ob Betrunkenheit die Erinnerung an den Mann auslöschen könnte, den er angeblich getötet hatte. Der Tcvali-Krieger war schwer verwundet gewesen und kurz davor, zu sterben, noch bevor Stavan überhaupt in seine Nähe gekommen war. Er hatte wild angegriffen, und Stavan hatte nicht mehr getan, als ihn einmal mit seinem Speer zu treffen und ihn zu Boden zu werfen, doch die anderen Männer waren fest entschlossen, ihn mit Ruhm zu überhäufen, weil er einen Feind getötet hatte, damit er feierlich in die Gemeinschaft der Männer initiiert werden konnte. Und als sie zum Lager zurückritten, sangen sie sein Loblied und erfanden mutige Taten, an die er niemals auch nur gedacht hatte.
    Alle waren stolz auf ihn, und auch sein Vater war stolz auf ihn, aber Stavan war nicht stolz auf sich selbst. Er wußte, daß mit ihm etwas nicht stimmte, etwas, was ihn anders als andere Krieger machte, und in jener Nacht, als Changar die zeremoniellen Narben in seine Schultern und Handflächen schnitt, betete Stavan insgeheim zu Han, daß er niemals wieder würde kämpfen müssen.
    Und doch,

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