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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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keinerlei Reiz mehr für ihn. »Das ist die einzige Erinnerung an meine Mutter, die ich habe. Sie starb ein paar Wochen später. Alles, was ich noch von ihr weiß, ist, daß sie hellbraunes Haar hatte, das nach Blumen und Staub duftete. Ihr Name war Nona. Sie war die Lieblingskonkubine meines Vaters, aber sie war als Tochter eines mächtigen Häuptlings geboren worden. Sie erzählte mir, daß sie von ihrem Volk geraubt wurde, als sie gerade sechs Jahre alt war, und von da ab dazu erzogen wurde, für die Krieger zu tanzen.«
    Wieder bediente er sich von den Brombeeren und begann sie zu essen, während er sich den Saft von den Fingern leckte. »Als sie mich dort draußen in der Steppe fand, wie ich mir vor lauter Angst die Augen ausweinte, lachte sie, schwang mich hoch über ihren Kopf und rief: ›Sieh die Pferde, mein kleiner Häuptling!‹, und ich blickte auf und sah die Wogen von Gras –«, er machte eine weit-ausholende Geste, »die sich unendlich weit bis zum Horizont ausdehnten, sah die edlen Pferde meines Vaters, wie sie über die riesige Ebene galoppierten, so leichtfüßig und schnell wie die Götter selbst, und meinen Bastardhalbbruder Vlahan, der auf einem Rotschimmel ritt und die Herde zu den Kriegern trieb, die sie einfangen würden, um mit ihnen in die Schlacht zu reiten.«
    Er wischte sich die Hände an seiner Tunika ab. »Welche Schlacht sie in jenem Jahr kämpften, das weiß ich nicht. Es gab immer so viele Kriege. Vermutlich war es wieder mal ein Kampf gegen die Tcvali. Die Tcvali hatten meinen Vater niemals als den Großen Häuptling anerkannt. Sie sind ein einziges Pack von Dieben, stehlen immer unsere Pferde, weil sie nicht in der Lage sind, etwas anderes zu züchten als krummrückige Gäule, die das Gewicht' eines Mannes nicht tragen können.«
    Er legte eine Pause ein, als wartete er auf eine Reaktion von Marrah, aber sie hatte so viele Fragen, daß sie nicht wußte, wo sie anfangen sollte. Wann immer Stavan ein bestimmtes Wort nicht kannte, verfiel er in seine eigene Sprache, was es Marrah schwer machte, dem zu folgen, was er erzählte. Was war eine »Konkubine«, was war ein »Pferd«, ein »Rotschimmel«, ein »Bastard«, ein »Häuptling« und eine »Schlacht«? Was hatte er damit gemeint, als er sagte, seine Mutter sei »von ihrem Volk geraubt worden«? Und wenn es das bedeutete, was Marrah vermutete, warum war Stavan dann nicht empörter darüber? Sie war verwirrt und leicht verlegen. Sie hatte immer geglaubt, sie spräche recht gut Sharan. Allerdings waren Sharan und Shambah nicht genau dieselbe Sprache; vielleicht war das der Grund, weshalb sie solche Mühe hatte, seiner Erzählung zu folgen.
    Marrah beschloß, nicht um Erklärungen zu bitten. Wenn sie ihn dazu zu bewegen versuchte, alle die Wörter zu erklären, die sie nicht verstand, verlöre Stavan vielleicht die Geduld und würde aufhören zu erzählen, und seine Geschichte war einfach zu faszinierend! Besser, sie ließ ihn in dem Glauben, sie verstände alles. Später blieb immer noch Zeit genug, um zuzugeben, daß er Wörter benutzt hatte, die sie nicht kannte. Vielleicht konnte Sabalah helfen, wenn sie ins Dorf zurückkehrten, und ihr erklären, was Ausdrücke wie »krummrückige Gäule, die das Gewicht eines Mannes nicht tragen können« bedeuteten.
    »Wer wurde deine Stiefmutter, nachdem deine Mutter starb ?« fragte sie. Also, das war doch wohl eine simple Frage, einfach und praktisch.
    Stavan blickte sie verständnislos an. »Stiefmutter?«
    Dann war sie also nicht die einzige, die Schwierigkeiten hatte. Erleichtert erklärte ihm Marrah die Bedeutung.
    »Ach so, ich verstehe. Du meinst, wer mich adoptiert hat.« Er zuckte die Achseln. »Niemand.«
    »Niemand?« Diesmal verstand Marrah das Wort, hatte jedoch Mühe, dies zu glauben. Wie konnte es möglich sein, daß ein kleines Kind nicht augenblicklich adoptiert wurde? In Xori hätte gleich ein halbes Dutzend Frauen darum gebettelt, mit der ehrenvollen Aufgabe betraut zu werden, die Stiefmutter für einen kleinen Jungen zu sein, dessen Mutter gestorben war.
    Stavan war verwirrt über ihre Reaktion. »Das ist nicht allzu überraschend, wirklich nicht. Obwohl ich neben Achan der Lieblingssohn meines Vaters war, war ich nur das Kind einer seiner Konkubinen, deshalb war ich nicht wichtig genug für Zulike, seine alte Ehefrau, um in ihr Zelt aufgenommen zu werden. Zulike war schrecklich eifersüchtig auf meine Mutter, und ich glaube, sie hätte mich ausgesetzt und den Wölfen zum

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