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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Es war eindeutig, daß sie niemals gejagt worden waren und keine Angst vor Menschen hatten. Wenn Marrah es gewollt hätte, hätte sie nur einen Arm auszustrecken brauchen, um einen von ihnen mit der bloßen Hand zu fangen. Aber es bestand kein Grund, die Vögel zu lehren, daß ihr Vertrauen nicht gerechtfertigt war. In den Gewässern der Flußmündung herrschte ein solcher Fischreichtum, daß Marrah und ihre Gefährten morgens immer genügend Fische fingen, um den Rest des Tages über gut zu essen zu haben.
    Gegen Mittag des dritten Tages begann sich die Landschaft zu verändern. Zuerst erschienen einige wenige Bäume an den Ufern, dann wurden es nach und nach mehr. Das Wasser wurde klarer und nahm eine leicht grünliche Färbung an, und das hohe Schilf zu beiden Seiten wich kleinen Inseln, die mit Buschwerk und Schößlingen bewachsen waren. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Abendschatten wieder länger zu werden begannen, war die Strömung, die ihnen entgegenkam, derart stark geworden, daß sich die Boote unmöglich mehr steuern ließen, und so zogen sie die Boote aus dem Wasser und trugen sie wie große Körbe zum Ende der Flußmündung, und fluchten heftig, als sie durch den Schlamm stolperten.
    Bald hatten sie die Mündung erreicht. Tatsächlich war es nicht nur ein Fluß, sondern zwei, getrennt durch etwas, was wie eine Insel aussah. In Wirklichkeit war die Insel das nördliche Ufer des Ibai Nabar, und Marrah war belustigt, als sie erfuhr, daß der Fluß zu ihrer Linken Ibai Taxar oder »Falscher Fluß« hieß, zweifellos von irgendeiner verdrießlichen Händlergruppe so benannt, die sich irrtümlich für die falsche Abzweigung entschieden hatte.
    Nachdem sie die Boote auf das südliche Ufer des Ibai Nabar gezogen hatten, wuschen sie sich den Schlamm ab, so gut es ging, und machten sich dann erneut auf den Weg, während sie die Boote flußaufwärts zu dem kleinen Dorf Xemta schleppten, das ganz in der Nähe lag, wie die Händler versicherten.
    Xemta war entweder die letzte Ansiedlung des Küstenvolks oder auch die erste des Flußvolks, je nachdem, wie man die Sache betrachtete, aber da das gesamte Dorf nur aus zwei Langhäusern von der Größe von Kuhställen und mehreren kleinen Gemüsegärten bestand, die kaum groß genug waren, um die einzelne Mutterfamilie zu ernähren, die sie bearbeitete, war es kaum von Belang. Laut Rhoms Aussage hatten die Frauen von Xemta sowohl mit den Männern des Küstenvolks als auch mit denen des Flußvolks Kinder gezeugt, solange sich irgend jemand zurückerinnern konnte, doch es war ein ziemlich langer Marsch in beide Richtungen, und die Frauen waren immer glücklich, reisenden Händlergruppen ihre Gastfreundschaft anzubieten, besonders den Männern unter ihnen.
    Shema und Zastra schüttelten über diese Schilderung die Köpfe, mußten jedoch zugeben, daß Rhom die Wahrheit sprach. »Sie gehörten alle zu ein und derselben Mutterfamilie«, erklärte Zastra, »deshalb können sie natürlich nicht miteinander Liebe machen. Die Söhne verlassen gewöhnlich das Dorf, sobald sie alt genug sind, um eine Frau zu wollen, aber da die Töchter in das Dorf gehören, bleiben sie an Ort und Stelle. Jeder Mann, der lebt und atmet, kann jederzeit ein warmes Bett in Xemta finden – sogar Rhom.«
    Marrah fand diese letzte Bemerkung nicht besonders schmeichelhaft für Rhom, doch er schien die Neckerei mit Humor zu nehmen. Allmählich kam Marrah zu dem Schluß, daß er harmlos war. Die blumigen Schmeicheleien, die er ihr zuteil werden ließ, waren nicht dazu gedacht, ernst genommen zu werden; es war einfach seine Art, sich zu amüsieren, und nachdem sie ihm klargemacht hatte, daß sie nicht daran interessiert war, das Bett mit ihm zu teilen, hatte er sich beruhigt und war ein so vernünftiger, verläßlicher Reisegefährte geworden, wie man ihn sich nur wünschen konnte.
    Stavan dagegen bereitete ihr Kopfzerbrechen. Er beklagte sich zwar nie, aber man konnte ihn auch kaum als heiter bezeichnen. Seit dem Tag, als sie Xori verlassen hatten, hatte er kaum ein Wort mit ihr gesprochen, und oft ertappte sie ihn dabei, wie er sie auf eine Art anstarrte, die ihr ein unbehagliches Gefühl gab. Wäre er nicht so höflich und hilfsbereit gewesen, hätte sie geglaubt, er müßte irgendwie dahintergekommen sein, daß er als ein lebendes Exemplar der Tiermenschen nach Shara gebracht wurde; doch er behandelte sie mit so viel Respekt, daß sie sich jedesmal, wenn er mit ihr sprach, wie die »Mutter aller Familien«

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