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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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auf, ihm ihre Sichtweise zu erklären, aber am nächsten Morgen erkannte sie, daß sie ihn unterschätzt hatte. Er und Arang standen am Waldrand, und Arang versuchte ohne großen Erfolg, die Sehne von Stavans Bogen weit genug zurückzuziehen, um einen Pfeil in den Stamm einer großen Birke zu schießen.
    »Und vergiß nicht«, erinnerte Stavan ihn gerade, »bevor du ein Tier schießt, mußt du es um Verzeihung bitten.« Dann trat er hinter Arang, legte seinen Arm um ihn und half ihm, die Bogensehne anzuspannen und den Pfeil in den Baum zu schicken.
    An diesem Nachmittag, als sie Rast machten, um eine Mahlzeit einzunehmen, setzte sich Arang neben Marrah, verschränkte seine Hände um die angezogenen Knie und bedachte sie mit dem Blick, mit dem er sie immer ansah, wenn er um etwas bitten wollte.
    »Na, was gibt es denn ?« fragte sie und reichte ihm ein Stück gerösteten Speck.
    Arang begann ohne Umschweife zu sprechen. »Ich möchte Stavan als meinen Aita.«
    Marrah erinnerte ihn daran, daß er bereits einen Aita hatte. »Mehe, Mutters Partner«, sagte sie. »Weißt du das nicht mehr ?«
    Arang rümpfte verächtlich die Nase. »Ich wußte doch, daß du etwas in der Art sagen würdest. Du bist noch keine drei Monate eine Frau, Marrah, aber du redest schon, als wärst du die Mutter einer ganzen Familie. Natürlich erinnere ich mich an Mehe, aber er ist zu weit weg, um sich um mich zu kümmern, und ich
mag
Stavan. Er weiß einfach
alles.«
    Marrah, alles andere als überzeugt, daß Stavan die Art von Dingen wußte, die Arang lernen sollte, versprach, sich die Sache durch den Kopf gehen zu lassen. Sie hatte vor, ein paar Tage zu warten und ihrem Bruder dann zu sagen, daß es keine gute Idee sei, aber noch am selben Nachmittag geschah etwas, was sie zwang, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.
    Wieder einmal legten sie eine kurze Rast ein, während sie ein paar getrocknete Früchte aßen und sich über nichts Besonderes unterhielten. Arang lag zu Marrahs Füßen ausgestreckt und stocherte mit einem dünnen Zweig in seinen Zähnen. »Weißt du«, sagte er nachdenklich, »ich frage mich schon die ganze Zeit, wo eigentlich all die Tiere sind. Stavan bringt fast jeden Abend eines mit, das er erlegt hat, aber wo findet er sie? Seit wir Gurasoak verlassen haben, habe ich noch nichts Größeres als ein Eichhörnchen gesehen, und es ist hier so still, daß ich allmählich glaube, ich werde taub.«
    Stavan, der die Worte mitgehört hatte, lachte so schallend, daß er sich fast an einem Stück Dörrpflaume verschluckt hätte. »Es gibt einen ganz simplen Grund, weshalb du keine Tiere siehst«, erklärte er. »Weil wir sechs wie eine Herde Kühe durch das Unterholz getrampelt sind.« Er zeigte auf den Boden. »Wenn sich die pflanzenfressenden Tiere durch den Wald bewegen, dann machen sie keinerlei Geräusch dabei. Nur ein paar von den Fleischfressern machen Lärm: Bären, die so groß und gefährlich sind, daß es sie nicht kümmert, wer davon weiß, daß sie kommen; und Wildschweine, die in Rudeln jagen und andere Tiere wie ein Wolfsrudel umzingeln.«
    »Aber ich dachte, wir gingen wirklich leise«, erwiderte Arang.
    Stavan grinste. »Leise für Menschen, das vielleicht, aber ich jage seit fast vier Jahren in Wäldern wie diesen, und ich versichere dir, daß wir mehr Lärm gemacht haben als brünftige Hirsche. Wenn du die Tiere sehen willst, dann wirst du wie eine Löwin schleichen müssen.« Er erhob sich von seinem Platz, um es zu demonstrieren. »Du mußt die Füße weit hochheben, siehst du, so, statt durch die Blätter zu schlurfen, und wenn du die Füße wieder absetzt, mußt du es so behutsam tun, als wärst du im Begriff, auf Enteneier zu treten.«
    Marrah und die anderen Erwachsenen stimmten ihm zu. »Nicht, daß ich jemals eine richtige Jägerin gewesen wäre«, gestand Marrah, »aber Stavan hat recht.« Bald schnallten sie sich erneut ihre Körbe auf den Rücken und machten sich wieder auf den Weg, und erst nach einer ganzen Weile begriff Marrah, was Stavan getan hatte: Behutsam, auf die subtilste Weise, hatte er Arang daran erinnert, daß es gefährliche Tiere im Wald gab.
    Vielleicht hatten sie es alle nötig, an die Gefahren erinnert zu werden. Die Wälder entlang der Küste waren harmlos im Vergleich zu diesem. Bis auf ein paar Bärenarten waren die meisten großen fleischfressenden Tierarten schon vor Generationen entdeckt worden. Mutter Ashas Schilderung von dem Händler, der einer Löwin zum Opfer gefallen

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