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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Augen.«
    Er legte eine Hand auf Arangs Schulter und schwieg einen Moment. »Ich möchte Arang nicht noch mehr angst machen, als er ohnehin schon hat, aber ich denke, er sollte wissen – ich meine, ihr alle solltet wissen –, daß sich Löwen besonders gerne an Kinder anschleichen. Ich sage euch dies, damit ihr begreift, wie wichtig es ist, daß wir von jetzt an immer dicht zusammenbleiben. Speziell Arang sollte niemals allein durch den Wald streifen. Außerdem halte ich es für richtig, daß wir von heute abend an abwechselnd Wache stehen. Mit ein bißchen Glück wird dieser Löwe – falls es ein Löwe ist – zu dem Schluß kommen, daß wir ihm zuviel Mühe machen. Die Tiere haben die Angewohnheit, immer in einem bestimmten Gebiet zu jagen, und in ein paar Tagen sollten wir das Territorium dieses Löwen verlassen haben. Es besteht sogar die Möglichkeit, daß er Menschen nicht als Nahrung betrachtet; vielleicht sind wir für ihn nur unbekannte, verwirrende Geschöpfe, die gefährlich sein könnten oder auch nicht, und deshalb beobachtet er uns, um das herauszufinden, aber ich würde nicht mein Leben darauf verwetten.«
    Alle stimmten ihm zu. Die Händler waren erschüttert; selbst Rhom fiel keine spaßige Bemerkung über Löwen mehr ein.
    Von dieser Nacht an hielten alle mit Ausnahme von Arang abwechselnd Wache, und selbst Stavan ging abends nicht mehr allein auf die Pirsch. Entweder funktionierten ihre Vorsichtsmaßnahmen, oder es hatte niemals einen Löwen gegeben. Mehrere Nächte vergingen ohne Zwischenfälle. Bei Tag wanderten sie zügig weiter, um diesen Teil des Waldes so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Der Flußwar nach und nach immer schmaler geworden, seit sie den Punkt erreicht hatten, wo er sich zum vierten Mal gabelte und in westlicher Richtung auf das Gebirge zufloß. Je schmäler er wurde, desto wilder strömte er dahin, und bis sie zu den von Kiefern bewachsenen Hügeln aufstiegen, war der gewaltige Ibai Nabar nur noch wenig mehr als ein rauschender Bach.
    Als sie sich allmählich den Höhlen von Nar näherten, spürte Marrah die ersten Anzeichen von Aufregung. Ob es Geschenke geben würde, wie die Priesterinnen Sabalah versprochen hatten? Oder waren sie nach so vielen Jahren des Wartens überdrüssig geworden und hatten die Geschenke jemand anderem gegeben? Sie versuchte, sich keine zu großen Hoffnungen zu machen, aber insgeheim sehnte sie sich nach irgendeinem kleinen Talisman oder einem heiligen Amulett, das sie und Arang sicher nach Shara bringen würde.
    In der Nacht, bevor sie die Höhlen erreichten, war es so kalt, daß sich Marrah und Arang in ihre Umhänge wickelten und dicht aneinandergeschmiegt schliefen, um sich warm zu halten. Auf der anderen Seite des Feuers taten Zastra und Shema das gleiche. Stavan übernahm die erste Wache an diesem Abend, aber Rhom schlug ihm vor, es zu lassen. »Komm und teile mein Bett«, drängte er, während er Stavan mit einem Blick musterte, als wollte er sagen: Du bist vielleicht dünn, aber du siehst aus, als könntest du mir Wärme spenden. Stavan wollte jedoch nichts davon hören. Er übernahm nicht nur die erste Wache, sondern bestand auch darauf, bis zum Sonnenaufgang Wache zu halten, und der arme Rhom, der nur einen dünnen Umhang besaß, verbrachte die Nacht frierend und zähneklappernd.
    Am nächsten Vormittag, kurz vor Mittag, sahen sie drei Felsblöcke am Wegesrand, die mit weißen Handabdrücken bemalt waren. Kurz darauf entdeckte Arang den Eingang zu einer niedrigen Höhle. Die Höhle lag geschützt unter dem Vorsprung eines Kalksteinfelsens, und als sie sie neugierig erforschten, fanden sie eine kleine weibliche Gestalt in die rückwärtige Wand eingeritzt. Die Figur symbolisierte eindeutig eine der Eigenschaften der Göttin Erde, denn ihre Brüste und Hüften waren schwer und voll von Fruchtbarkeit, und sie hielt die Mondsichel in ihrer linken Hand, doch Marrah hatte noch niemals eine Göttin gesehen, die so viel Ähnlichkeit mit einer richtigen Frau zeigte. Sie war nur ungefähr fünfzig Zentimeter hoch, aber die Menschen, die sie in den Fels geritzt hatten, hatten eine natürliche Ausbuchtung im Stein für ihren Bauch genutzt und zwei kleinere für ihre Brüste. Das Ergebnis war eine Figur, so täuschend lebendig, daß sie förmlich aus der Wand herauszutreten schien.
    Sie waren alle beeindruckt, aber Arang war besonders gefesselt von dem Bild. Lange Zeit stand er schweigend davor und betrachtete die Darstellung. »Sie ist so

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