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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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sie ein paar Sekunden lang erkennen, daß Wände und Decke aus Kalkstein bestanden. Dann kroch Zastra hinter ihr in den Eingang, und das Licht verlöschte. Sie krabbelte weiter und versuchte, nicht an den gewaltigen Felsen zu denken, der über ihr lag. Es war so still, daß sie ihr Herz klopfen hören konnte. Das einzige Geräusch ertönte, als jemand ein kleines Steinchen lostrat. Allmählich wurde sich Marrah Arangs Atem so deutlich bewußt wie ihres eigenen. Sie streckte die Hand nach vorn aus, fand sein Bein und tätschelte es ermutigend. Arang hielt einen Moment inne, bevor er weiterkroch. Sie fragte sich, ob er vielleicht wieder umkehren wollte. Wenn er den Drang verspürte, dann war es jetzt zu spät. Der Boden des Tunnels neigte sich leicht abwärts; es war nicht genügend Platz, um sich umzudrehen, und der Tunnel wurde ständig enger. Während sich Marrah Stück für Stück vorwärts-schob, überlegte sie, ob wohl schon einmal jemand darin steckengeblieben war.
    Nein, dies war kein geeigneter Gedanke, um ihn weiterzuverfolgen, und sie verdrängte ihn hastig. Der Tunnel wurde jetzt trockener, aber die Decke war so niedrig, daß sie auf dem Bauch liegen mußte und sich nur noch vorwärtsbewegen konnte, indem sie sich mit den Händen an der Wand abstützte. Inzwischen machte ihr die Dunkelheit zu schaffen. Es war nicht so, als schlösse man nur die Augen, sie war tiefer und undurchdringlicher. Die Finsternis war so massiv, als wäre sie lebendig.
    Als Marrah sie anschaute (was ein seltsamer Gedanke war, denn wie konnte man Finsternis ansehen?), sah sie Dinge darin schwimmen. Sie schob sich mühsam vorwärts, entschlossen, keine Notiz davon zu nehmen, aber die seltsamen Dinge vervielfachten sich unentwegt. Ich werde einfach die Augen zukneifen, dachte sie, aber als sie es tat, machte es nicht den geringsten Unterschied. Die Dunkelheit hinter ihren Augenlidern und die Dunkelheit des Tunnels waren ein und dasselbe.
    Die Zeit verstrich. Marrah schob sich auf dem Bauch liegend vorwärts und wünschte sich, sie könnte nur einmal zwischendurch frische Luft schnappen. Allmählich verlor sie jedes Gefühl dafür, wie weit sie gekrochen war, und beklemmende Angst stieg in ihr auf. Ich will hier raus! dachte sie verzweifelt, doch sie biß die Zähne zusammen und kroch weiter. Mehr Zeit verging. Die schwimmenden Dinge waren jetzt blau, von dem Blau, das man manchmal bei Sonnenuntergang sah. Nach einer Weile vergaß Marrah, daß sie vorwärtskroch. Sie tat es einfach, rein mechanisch. Es war offensichtlich, daß die Finsternis niemals aufhören würde, also gab sie ihren Widerstand auf und ließ sich von den blauen Dingen führen.
    Plötzlich wurde ihr bewußt, daß ihr Rücken nicht länger an Fels entlangschabte. Sie hob eine Hand und versuchte, die Decke des Tunnels zu berühren. Nichts. Vorsichtig erhob sie sich auf die Füße, tastete sich ein paar Schritte vorwärts und stolperte in eine riesige schwarze Leere, die nach feuchter Erde und Moder roch. Eine kalte Brise blies ihr aus der Dunkelheit entgegen, und irgendwo ganz in der Nähe plätscherte geräuschvoll Wasser.
    »Hallo«, rief sie. »Ist jemand hier ?«
    »... hier? hier? hier ?« rief das Echo spottend.
    »Komm hier herüber«, schlug eine Stimme vor. Es war Zahar. Als sich Marrah in Richtung der Stimme bewegte, prallte sie gegen Arang, der sich heftig an ihre Hand klammerte.
    »Ich fürchte mich«, flüsterte er.
    Sie wollte zurückflüstern, daß sie ebenfalls Angst hatte, aber das gehörte nicht zu den Dingen, die eine ältere Schwester zugeben konnte. »Nur Mut«, murmelte sie, legte einen Arm um seine Schultern und zog ihn fest an sich. »Die Priesterinnen werden sicher bald eine Fackel anzünden.« Hinter sich konnte sie die anderen aus dem Tunnel kommen hören. Ume kicherte, als sie gegen jemanden stieß.
    Während sie sich zum Kopf der Schlange vortasteten, berieten sich die Priesterinnen von Nar mit gedämpften Stimmen. Ein schabendes Geräusch ertönte, als eine von ihnen mit einem Feuerstein über Fels rieb. Plötzlich blitzte ein Funke in der Dunkelheit auf, und Emzates Fackel loderte hell und erfüllte die Höhle mit einem matten orangefarbenen Licht.
    Marrah blinzelte einen Moment gegen die plötzliche Helligkeit und schnappte dann überrascht nach Luft. Die Höhle war weitaus größer, als sie angenommen hatte. Gewaltige graue Felsbrocken lagen auf dem Baden verstreut und warfen eigenartige Schatten. Über ihnen ergoß sich ein erstarrter

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