Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
Vom Netzwerk:
wäre es nur eine vorübergehende Situation. Mehe, Arangs richtiger Aita, ist in Xori, aber du könntest ja eine Art ... Stiefaita für ihn sein. Was meinst du?«
    Stavan sah so überrascht aus, daß sie fast gelacht hätte, aber sie war klug genug, es nicht zu tun, weil er sonst wahrscheinlich tödlich beleidigt gewesen wäre. »E-es wäre mir eine Ehre«, stotterte er. »Eine große Ehre – das heißt, wenn du dir sicher bist und wenn Arang die Idee gefällt.«
    »Und ob sie mir gefällt!« jubelte Arang. »Ich habe schon seit
Wochen
versucht, sie dazu zu kriegen, dich zu fragen. Sag ja, Stavan, bevor sie es sich wieder anders überlegt.«
    Und das tat Stavan, augenblicklich. »Du wirst mein Sohn sein«, sagte er und bückte sich, um Arang erneut herzlich zu umarmen, und als Marrah ihn daran erinnerte, daß Mütter Söhne hatten und Aitas Neffen, erhob er keine Einwände. »Na gut, dann laß ihn mein Neffe sein. Wir werden unser Blut vermischen, wie es die Hansi tun.«
    Arang war nicht sonderlich angetan von der Vorstellung, sein Blut mit irgend jemandem zu vermischen, noch nicht einmal mit Stavan, aber er hielt den Mund. Er wollte Stavan als seinen
aita
haben, koste es, was es wolle.
    An diesem Abend, nachdem sie sich an Löwenfleisch satt gegessen und dem Waldvolk zugehört hatten, wie sie ihre Lieder von der Löwenjagd sangen, führte Stavan Arang zum Lagerfeuer zurück, setzte sich mit ihm auf das Löwenfell und schnitt in seinen und Arangs Finger und ließ ihr Blut zusammenfließen. Dann durchstach er Arangs Ohrläppchen mit einer Knochennadel und schob einen von Achans goldenen Ohrringen durch das Loch. Arang, der schon vorgewarnt gewesen war, biß die Zähne zusammen, aber der Schnitt in den Finger und das Durchstechen des Ohrläppchens waren nicht annähernd so schmerzhaft, wie er befürchtet hatte, und den Rest des Abends saß er stolz neben Stavan und schaute dem Waldvolk bei ihren wilden Tänzen zu.
    Am nächsten Morgen normalisierte sich ihr Leben wieder. Irgendwann im Laufe der Nacht waren die Leute des Waldvolks still und leise gegangen und hatten das Löwenfell mitgenommen, die Klauen jedoch zurückgelassen. Marrah sammelte die Krallen ein, um sie im Fluß zu säubern und in ein Stück weichen Wildleders zu wickeln. Bis sie zurückkehrte, war auch das Frühstück fertig und die Fische knusprig gebraten. Bald darauf machten sie sich wieder auf den Weg, wobei sie erneut dem Lauf des Orugali folgten.
    Sie wanderten zwei weitere Tage. Der Fluß verbreiterte sich, und mit jedem Schritt, den sie taten, schien die freudige Erregung der Händler zu wachsen. Eines Morgens standen Shema und Zastra früh auf, um sich gegenseitig das Haar zu waschen und Blumenketten für alle zu binden, einschließlich Stavan. An diesem Nachmittag – dem zweiunddreißigsten Tag seit ihrer Abreise aus Gurasoak – erreichten sie endlich den Ort, wo sich die Fluten des Orugali ins Blaue Meer ergossen. Von dort aus war es nur noch ein kurzer Marsch in das Dorf Lezentka.
     

8. KAPITEL
     
    »Meeresfisch und Venusmuscheln,
    dunkle, süße Feigen,
    Oliven und Rosen,
    Weine aus dem Osten,
     
    seetüchtige Boote
    mit Segeln, so weiß,
    sie schmelzen auf deiner Zunge
    wie Salz –
     
    Lezentka hat alles,
    aber nicht, wenn du es haben willst.
    Lezentka ist der Ort,
    wo Reisende warten müssen.«
     
    Sabalahs Lied, Strophe 15-17
     
    Lezentka
     
    Ihr nächstes Ziel war die Insel Gira, berühmt für ihren schönen Obsidian, ihre großen Tempel und prächtigen religiösen Feste. Es hieß, daß kein Volk die Göttin Erde mit mehr Begeisterung und Inbrunst verehrte als die Giraner, die allgemein als die besten Trommler der Welt galten, und ihre spektakulären Schlangentänze – von denen einige die Mitwirkung von Hunderten von Tänzern erforderten, die sich tagelang in perfektem Rhythmus miteinander bewegten – hatten den Ruf, die Göttin in die Herzen und das Bewußtsein all derer zu bringen, die daran teilnahmen.
    Marrah war im heiligen Gebärraum des östlichen Tempels von Gira zur Welt gekommen, als Sabalah dort auf ihrem Weg nach Westen Zuflucht gesucht hatte. Beide Zwillingspriesterinnen-Königinnen der Insel hatten sie bei ihrer Geburt gesegnet, indem sie etwas Erde auf ihrer Stirn verrieben und einen Tropfen Salzwasser in ihren Mund träufelten, um sie zu einem Teil der Erde und des Meeres zu machen, und obwohl sich Marrah nicht an die Zeremonie oder sonst irgend etwas, was mit Gira zusammenhing, erinnern konnte – weil sie

Weitere Kostenlose Bücher