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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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fröhlich zum Klang der Flöten und Trommeln in See gestochen waren.
    Wegen der Gefahr taten die Raspas das, was ihre Namensvettern, die Vögel, taten: Sie zogen zu einer bestimmten Jahreszeit nach Süden, was bedeutete, daß sie vom späten Frühling bis zum Beginn des Herbsts auf große Fahrt gingen und ihre Segel einholten, sobald die ersten schweren Regenfälle einsetzten, und sich nicht eher wieder aufs Meer hinauswagten, bis die Graugänse nach Norden flogen und das Wetter wieder schön wurde. Theoretisch unternahm jedes der beiden Raspas, die dem Dorf Lezentka gehörten, drei oder vier Rundreisen pro Saison, wobei die letzte Überfahrt im Mond des Trockenen Grases stattfand und das Schiff noch vor der Tagundnachtgleiche wieder in den Heimathafen zurückkehrte; aber jedesmal, wenn Zastra, Shema und Rhom ihre Tour durch den Wald unternahmen, wartete das Boot, das als die
Baßtölpel
bekannt war, auf sie.
    Die feinen Jaditäxte und die mit weichen Federn besetzten Capes des Küstenvolks waren so kostbare und begehrte Waren, daß der Dorfrat schon vor langer Zeit entschieden hatte, sie seien es wert, das Risiko einzugehen, daß die Schiffsbesatzung vielleicht fern von zu Hause überwintern müßte, zumal ihnen nichts Schlimmeres passieren konnte, als daß sie gezwungen waren, die regnerischen Monate auf der wunderschönen Insel im Blauen Meer zu verbringen.
    In diesem Jahr hatte der Abstecher zu den Höhlen von Nar die Händler jedoch mehr als eine Woche gekostet, und als sie in Lezentka ankamen, war das erste, was sie herausfanden – nachdem die Dorfbewohner sie überschwenglich begrüßt und großzügig bewirtet hatten –, daß die
Baßtölpel
bereits hinausgesegelt war.
    »Warum, im Namen von zwanzig Flüchen, haben sie da3.13tan? « hatte die sonst so sanfte Shema wütend geschimpft und ihre Schale mit Tintenfischragout so heftig auf den Tisch geknallt, daß die schwärzliche Soße über den Rand schwappte und auf den frischen Leinenrock spritzte, den sie zur Feier ihrer Heimkehr angezogen hatte.
    Sie, Rhom und Zastra saßen neben ihrer Mutter Sirshan, umringt von so vielen Tanten, Onkeln, Vettern, Kusinen, Nichten, Neffen und Freunden, daß Marrah Tage gebraucht hätte, um sie alle auseinanderhalten zu können, aber es war bereits klar, daß die Lezentkaner eines gemeinsam hatten: Alle redeten gleichzeitig, und keiner hörte zu. Rhom und Zastra stimmten aufgebracht in Shemas Flüche ein, die diversen Freunde und Verwandten boten Erklärungen an, die Hunde bellten, die Kinder schrien, und ein paar Minuten konnte keiner ein Wort verstehen – besonders Marrah nicht, da die Händler wieder in ihre eigene Sprache verfallen waren.
    Schließlich wandte sich Rhom zu ihr um und übersetzte. »Das Schiff ist bereits ausgelaufen«, knurrte er. »Das, mit dem ihr nach Gira segeln solltet. Die Dummköpfe bildeten sich ein, daß die Regenfälle dieses Jahr früh einsetzen würden, deshalb sind sie vor zehn Tagen in See gestochen. Ohne sich darum zu kümmern, daß sie versprochen hatten zu warten, ohne sich darum zu kümmern –«, er zeigte auf das Stück Himmel, das deutlich durch die offene Tür zu sehen war, » daß nicht eine Wolke zu sehen ist, die größer als die Nasenspitze eines meiner idiotischen Vettern ist; nein, sie haben einfach die Wünschel-Muscheln geworfen und entschieden, daß schlechtes Wetter bevorstünde, und schon ging's los!«
    Arang gab ein enttäuschtes Stöhnen von sich, Stavan verstand wie gewöhnlich kein Wort und würde auch nichts verstehen, bis sich einer von ihnen die Mühe machte, ein zweites Mal in seiner Sprache zu übersetzen.
    »Heißt das, wir hängen den ganzen Winter hier fest? « Ratlos und verwirrt musterte Marrah die fremden Gesichter von Rhoms Verwandten, den sonderbaren, vielarmigen Fisch in ihrer Schüssel und das kleine, quadratische Haus von Rhoms Mutter, das man niemals irrtümlich für eines der Langhäuser von Xori hätte halten können.
    Zum ersten Mal seit vielen Wochen fühlte sie sich fast krank vor Heimweh. Da eine Rückkehr nach Xori eindeutig nicht in Frage kam, mußten sie ihre Reise so schnell wie möglich fortsetzen. Nur die Wichtigkeit der Botschaft, die sie nach Shara bringen sollte, wog die Sehnsucht nach ihrer Mutter auf, ganz zu schweigen von dem schmerzlichen Bedürfnis, Bere und Ama und Onkel Seme und alle ihre Freunde wiederzusehen. Wie konnte sie monatelang in Lezentka herumsitzen und warten, von dem schrecklichen Wissen gequält, daß die

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