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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Keshna herauszuziehen, aber Glyntsa hielt sie zurück.
    »Warte«, befahl sie. In ihrer Stimme schwang ein Unterton mit, so hart wie Granit, und Hiknak erstarrte vor Schreck. Auf der anderen Seite des Teiches hatte sich das Imsha von seinem Platz erhoben.
    Keshna tauchte wieder auf und begann hastig auf den Rand des Teiches zuzupaddeln, doch das Imsha war vor ihr da. Blitzschnell legte es eine schwarzbehandschuhte Hand auf Keshnas Kopf und drückte sie wieder unter Wasser.
    Keshna tauchte ein drittes Mal auf. »Hilfe!« ertönte es gellend. »Mama, hilf mir!«
    »Sie hat gesprochen!« schrie Hiknak erschüttert.
    Keshna sprach nicht nur, sondern sie stieß eine ganze Flut von Hansi-Flüchen aus, in einer so perfekten Imitation von Hiknak, daß Marrah verdutzt den Mund aufsperrte und fast ehrfürchtig zuhörte. Jetzt packte das Imsha Keshna an den Haaren, fischte sie aus dem Wasser und stellte sie auf die Füße. Wutschnaubend wirbelte Keshna zu ihm herum. Sie sah wie eine kleine, erboste, halb ertränkte Ratte aus. »Du Scheißhaufen!« schrie sie. »Du gemeine, fiese, häßliche schwarze Krähe! Du Shjetak! Das Wasser ist ja Eis!«
    Nun, dachte Marrah, das beweist eindeutig, daß Keshna während der letzten Monate aufmerksam zugehört hat. Ihr Vokabular von Hansi-Flüchen und Beschimpfungen war haarsträubend. Sie hätten sorgfältiger darauf achten müssen, in ihrer Gegenwart nicht zu fluchen, aber wenn sich ein Kind zu sprechen weigerte, vergaß man oft, daß es trotzdem hören konnte.
    Das Imsha hatte vielleicht nicht verstanden, was Keshna da heraussprudelte, ihr Tonfall war jedoch unmißverständlich gewesen. Die Gestalt in Schwarz lachte nur ihr gedämpftes, warmes Lachen und kehrte zu dem Platz auf dem flachen Felsen zurück.
    Inzwischen hatte Hiknak ihr Töchterchen in die Arme genommen, und sie preßte sie an sich, während ihr die Freudentränen übers Gesicht strömten. »Du sprichst«, schluchzte sie wieder und wieder, »du sprichst! Warum hast du vorher nie mehr mit mir gesprochen, mein kleiner Liebling?«
    Keshna schmiegte ihren Kopf an die Brust ihrer Mutter, und der Ausdruck ihres Gesichts wurde weich. »Weil ich vergessen hatte, wie es ging«, sagte sie. Und das war die einzige Begründung, die sie jemals aus ihr herausbekamen.
     
    Nachdem sie in die Stadt zurückgekehrt waren, nahm Marrah Hiknak beiseite und erklärte ihr, daß sie keine Ahnung von Glyntsas Absicht gehabt hätte.
    »In Shara würde keiner jemals auf die Idee kommen, ein kleines Mädchen in einen eisigen Teich zu werfen«, sagte sie. »Es war grausam, was sie mit Keshna getan hat, und ich entschuldige mich, daß ich dich in die Sache verwickelt habe.«
    »Wovon redest du eigentlich?« erwiderte Hiknak. »Es hat doch gewirkt.«
    »Aber es war grausam.«
    Hiknak schüttelte den Kopf. »Marrah, ich bin in einem Stamm aufgewachsen, wo Kinder in Keshnas Alter auf dem Grab ihres Vaters geopfert wurden. Sie in den Teich zu werfen war keine Grausamkeit, sondern ein Akt der Barmherzigkeit. Irgendwie wußte dieses Imsha, daß Keshna in das Wasser gehörte, damit sie ihren Weg zu dem Fluß ihres Sprachverlusts zurückfinden konnte. Außerdem hat er – oder sie oder es – Keshna wieder herausgezogen.«
    Marrah setzte sich auf einen Tonstuhl und stützte ihr Kinn in die Hände. Der Stuhl hatte Beine, die wie Rabenklauen geformt waren, und gemalte Schlangen ringelten sich an den Seiten abwärts. Ganz gleich, wohin man in Kataka ging, überall blieb die Dunkle Mutter gegenwärtig. Marrah betrachtete die weißen Hunde auf dem Kohlenbecken, die bunten Kreise, die über die Wände des Raums wirbelten. Bindar hatte ihr gesagt, daß sie hier Weisheit finden würde, und Lalah meinte, die Priesterinnen könnten ihr vielleicht dabei helfen, Arang und Keru zurückzubekommen; aber erneut nagten Zweifel an ihr.
    »Großmutter Lalah hat Glyntsa gebeten, mich ausführlich in die Mächte der Dunklen Mutter einzuweihen«, erklärte sie Hiknak. »Aber nach dem, was ich heute gesehen habe, bin ich mir nicht sicher, ob ich das aushalte.«
    »Warum nicht? «
    »Weil ich Angst habe, deshalb. Als mir die lachenden Priesterinnen von Nar die Träne des Mitgefühls und den getrockneten Donner und das Pulver der Unsichtbarkeit schenkten, war ich noch zu jung, um zu erkennen, wie gefährlich es sein kann, salche Kräfte zu besitzen.
    Nun, inzwischen bin ich keine dreizehn mehr. Ich habe gesehen, wie über hundert Krieger durch eine einzige Handvoll Pulver blind und

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