Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin
rasch mich meine Beine trugen. Später hörte ich dann, daß ihr das Fort niedergebrannt hättet.«
»Das haben wir tatsächlich getan«, erwiderte Marrah. »Und danach jagten wir Nikhan in die Steppe zurück. Was für ein Jammer, daß du nicht mehr in der Nähe warst, um den Anblick zu genießen, wie all jene Krieger Hals über Kopf nach Norden davon-hetzten.«
Kal zuckte die Achseln. »Ich bin ein Sänger, kein Kämpfer; aber ich habe die Absicht, euch für eure mutige Tat zu belohnen. Hier ist ein Krug von unserem besten Wein! « Er präsentierte ihn stolz. »Erst muß er ein bißchen angewärmt werden, und nachdem ihr ein oder zwei Becher getrunken und euch etwas ausgeruht habt, könnt ihr Glyntsa und mir erzählen, was euch nach Kataka geführt hat.«
Er entkorkte den nach Harz duftenden Wein, goß ihn in einen Tonkrug und stellte ihn auf das Kohlebecken. Dann, ehe Marrah oder Hiknak ihn zurückhalten konnten, trat er auf Keshna zu. »Komm her, du niedliches kleines Ding«, sagte er und streckte die Arme nach Keshna aus, doch bevor er sich's versah, stürzte Keshna sich auf ihn und biß ihn kräftig in die Hand.
Kal schrie vor Schmerz auf und sprang zurück. Er saugte an seinem blutenden Finger und starrte Keshna ungläubig an.
»Was ist mit dem Kind los?« fragte Glyntsa scharf. »Ist sie ein Mensch oder ein Hund?«
»Sie versucht nur, ihre Mutter zu beschützen«, erklärte Marrah. »Es tut uns leid, daß sie dich gebissen hat, aber wir können sie nicht kontrollieren. Wir befürchten, daß sie shohwar ist. Nicht zuletzt sind wir wegen ihrer Krankheit nach Kataka gekommen.«
Danach drehte sich die Unterhaltung um ernstere Dinge. Glyntsa setzte sich und stützte ihre Ellenbogen auf den Tisch; Kal schenkte den Wein in Becher und nahm neben ihr Platz; beide baten Marrah und Hiknak, ihnen zu erklären, wie es zu dem Zustand des kleinen Mädchens gekommen war. Marrah und Hiknak berichteten, und während sie sprachen, nickten Bruder und Schwester mitfühlend.
Die Geschichte fiel aufgrund von Kals eigenen Erfahrungen ziemlich kurz aus – dank seiner Hilfe brauchten sie nicht lange zu erklären, wie gefährlich die Nomaden waren oder wie es hatte geschehen können, daß Hiknak von dem Trupp aus der Steppe überrumpelt und besinnungslos in den Fluß geworfen wurde. Glyntsa war erschüttert über die Nachricht, daß die Tiermenschen sich bereits so weit nach Süden vorgewagt hatten, aber nicht annähernd so überrascht, wie von Marrah angenommen. Sie hörte zu, ohne zu unterbrechen, und tätschelte mütterlich Marrahs Schulter, als diese schilderte, wie Keru und Arang verschleppt worden waren und Stavan die Verfolgung aufgenommen hatte.
Als Marrah und Hiknak geendet hatten, versprachen Kal und Glyntsa, zwei Zeremonien zu arrangieren: eine, um Hiknaks Hand und Bein zu heilen, und eine andere, um Keshna gesund zu machen. Marrah und Hiknak wunderten sich über diese raschen Beschlüsse; aber Glyntsa erklärte, die gesamte Stadt Kataka widme sich aus Tradition unentwegt der Heilung von Kranken.
»Mich interessiert«, sagte Hiknak später, als sie mit Marrah und Keshna in einem der Gästezimmer des Tempels allein war, »ob es funktionieren wird. Ich glaube nicht an die Dunkle Mutter. Es fällt mir wirklich schwer, mich von der Vorstellung zu lösen, daß alle Götter große, haarige, tätowierte Krieger sind, von denen mein kleines Mädchen nichts zu erhoffen braucht.« Sie seufzte tief. »Ich würde mit Freuden den Rest meines Lebens hinken, wenn diese Priesterinnen es nur schafften, Keshna zum Sprechen zu bewegen.«
Marrah versicherte Hiknak, daß die Zeremonie sowohl ihr als auch Keshna Segen brächte, aber insgeheim hegte auch sie ihre Zweifel. Später fragte sie sich, ob Hiknak wohl unbewußt einen Handel mit der Dunklen Mutter abgeschlossen hatte.
Die Heilungszeremonien fanden am nächsten Tag statt, die Hicnaks am Morgen und die Keshnas am frühen Nachmittag, wobei man sich um Hiknak besonders bemühte. Marrah und die kleine Nomadin hatten noch kaum die Augen aufgeschlagen, als auch schon fünf schwarzgewandete, mit schwarzen Fransen ge-schmückte Priesterinnen erschienen, um Hiknak zu entkleiden und über und über mit sich ringelnden Schlangen zu bemalen. Eine der Frauen zog ein scharfes Feuersteinmesser hervor und bedeutete Hiknak mit einer Geste, sich auf ihrer Schlafmatte auszustrecken; dann rasierte sie sorgfältig jedes Härchen von Hiknaks Scham und bemalte sie leuchtendrot.
Zuerst war Hiknak
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