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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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zurückhielt.
    Alle starrten sie erstaunt an. »Du hast noch nie ein Boot gesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Stavan versuchte, es ihr zu erklären, aber Hiknak konnte die Vorstellung einfach nicht fassen, daß es einen Teil der Welt gab, wo Bäume etwas so Gewöhnliches waren, daß Menschen sie fällten und die Stämme zu Flößen zusammenbanden, um damit von einem Ort zum anderen zu treiben. »Ich begreife nicht, wie ihr euer Pferd auf eines von jenen Dingern bekommen würdet«, erwiderte sie. Sie beschattete ihre Augen mit einer Hand und schaute blinzelnd auf den See hinaus. »Trotzdem verstehe ich, warum ihr es gern versuchen würdet. Das ist der breiteste Fluß, den ich je gesehen habe.« Sie drehte sich zu Arang um. »Ich nehme an, wir werden mit den Pferden hinüberschwimmen müssen. Wie weit ist es bis zum anderen Ufer?«
     
    Als sie sich der Küste entlang auf Shambah zu bewegten, begann Marrah sich an Dinge zu erinnern, die sie lieber vergessen hätte. Shambah war einst der nördlichste Punkt an den Ufern des Süßwassersees gewesen, eine malerische Stadt voller weißgetünchter Mutterhäuser mit schimmernden Kuppeldächern, die der Schmetterlingsgöttin geweiht war – berühmt auch für ihr feines Leinen, ihre prachtvollen Gärten und die Großzügigkeit ihrer Bewohner –, dach Marrah hatte sie nur als einen Haufen brennender Ruinen erlebt.
    Inzwischen würden die Vögel das Fleisch der Toten zur Muttergöttin zurückgebracht haben, und Gras würde auf den muschelgepflasterten Straßen wachsen. Aber ganz gleich, wie stark die Zeit das schreckliche Bild von Tod und Vernichtung gemildert hatte, so wußte Marrah doch, daß sie beim Anblick der Ruinen immer an den Tag erinnert würde, an dem sie und Arang ihr Boot knapp außerhalb der großen Sandbank vertäut hatten, die die Mündung des Flusses verschloß; sie waren an Land gewatet, um mitten in Krieg und Tod hineinzugeraten.
    In Shambah ereilte sie dann die Gefangenschaft; dort hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein Pferd und bewaffnete Hansi-Krieger entdeckt – hatte Dinge gesehen, so grauenvoll, daß sie es nicht ertragen konnte, auch nur daran zu denken. Lange Zeit war es ihr gelungen, die Stadt und all die schrecklichen Erlebnisse aus ihrem Bewußtsein zu verdrängen – nicht zu vergessen, denn das würde ihr niemals gelingen –, aber sie immerhin beiseite zu schieben wie einen leeren Becher, der ein bitteres Gebräu enthalten hatte. Doch als sie sich jetzt dem Ort näherten, schien ihr Leben rückwärts abzulaufen, und der Becher der Bitterkeit füllte sich wieder.
    Jeder Baum und jeder Fels beschwor Entsetzen herauf: Hier war der Fluß, an dessen Ufer sie in der dritten Nacht ihrer Gefangennahme kampiert hatten, hier das Eichenwäldchen, in dem die erste Sklavin gestorben war, und war das dort drüben nicht genau der Baum, der die Stelle markierte, wo Akoah, die kleine Seglerin, gesessen und Marrah verzweifelt schluchzend angefleht hatte, sie zu retten?
    Wenn Marrah an die Vergangenheit dachte, während sie auf Shambah zuritten, so dachte Stavan an die Zukunft. Er hatte keinen weiteren Fingerzeig auf bewaffnete Krieger zu Pferd gefunden; aber er war in einem Land aufgewachsen, wo Überraschungen oft tödlich endeten und nur der Vorsichtige überlebte. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden sie nur Asche und Knochen vorfinden, wenn sie an die Stelle kamen, wo einst Shambah gestanden hatte; aber Stavan war keineswegs bereit, sein Leben darauf zu wetten; deshalb ließ er die kleine Reisegruppe anhalten, als sie noch ungefähr einen halben Tagesritt von der Stadt entfernt waren.
    »Ich werde allein vorausreiten, um mich mal umzusehen«, erklärte er. Seine Stimme klang beiläufig, und er saß in lässiger Haltung auf seinem Pferd, machte sich noch nicht einmal die Mühe, den Deckel des ledernen Behälters zu öffnen, der seinen Bogen enthielt; doch allen war klar, was er vorhatte. Marrah, die es sogar noch besser wußte als die anderen, haßte es, Stavan aus den Augen zu lassen, aber ihr Leib wurde von Tag zu Tag runder. Schon jetzt behinderte ihre Schwangerschaft ihr Vorankommen, und falls Stavan kämpfen oder um sein Leben rennen mußte, würde sie nur im Weg sein. So ließ sie ihn mit einem ermutigenden Lächeln, das sie nicht fühlte, gehen, um Shambah auszukundschaften, und setzte sich abwartend ins Gras.
    An jenem Nachmittag, als Arang und Hiknak in die Wälder verschwanden, um sich zu lieben, verbrannten Marrah und Dalish süßduftende

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