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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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meldete sich eine kleine Stimme in ihrem Kopf zu Wort, die furchterregende Wahrheiten aufzählte und ihr vorhielt, daß sie keine Kriegerin war – nur eine schwangere Frau, unbeholfen und schwerfällig mit einem prallen Leib, die weit mehr Mut als Verstand besaß. Die Stimme war nüchtern und überzeugend, und Marrah hätte ohne Zweifel auf sie gehört, Shambah den Rücken gekehrt und die Probleme der Zukunft gefaßt auf sich zukommen lassen – wären nicht die Dörfer gewesen.
     
    Wenige Dörfer lagen im Norden von Shambah, aber es gab eine Anzahl im Westen und Süden der Stadt. Das erste, auf das sie stießen, bestand lediglich aus einer Handvoll Hütten an einem Pfad aus zerstampften Muschelschalen neben einem kleinen Bach, der durch ein Dutzend Felder floß. Die Unterkünfte waren im shambahnischen Stil erbaut, teilweise unter der Erde, damit sie im Sommer die Kühle bewahrten und im Winter die Wärme. Kuppelförmige Dächer wölbten sich über Gerüsten aus ineinander verflochtenen Weidenzweigen, deren Fugen mit Schlamm ausgefüllt und mit weißem Ton verputzt waren; früher einmal mußten die Mauern mit Blumen und Schmetterlingen bemalt gewesen sein, weil man immer noch Spuren von Farbe erkennen konnte.
    Das war so ziemlich alles, was übrig geblieben war, denn an der Stelle, wo das Dorf einmal gestanden hatte, gab es kein Dorf mehr –nur noch Ruinen. Die Häuser waren keine Häuser mehr in dem Sinne, daß noch irgend jemand darin hätte wohnen können. Sie waren verbrannt und demoliert, wie Eierschalen zertrümmert:
    Hausdächer eingeschlagen, weiße Wände mit Ruß und anderen Flecken beschmutzt, die Exkremente oder auch Blut hätten sein können. Hinter den Ruinen dehnten sich die Felder aus – unbestellt und mit Nesseln, Unkraut und den grünen Schößlingen neuer Dornbüsche überwuchert.
    Lange Zeit saßen Marrah und ihre Gefährten schweigend im Sattel und betrachteten das Bild der Verwüstung. Schließlich schwang sich Stavan von seinem Pferd, ging in einen Behausungsrest hinein und kam mit versteinerter Miene wieder heraus. »Die Shubhai haben alle Bewohner im Inneren eingesperrt und sie bei lebendigem Leibe verbrannt«, berichtete er. »Auch Kinder, so wie es aussieht.«
    »Möge die Muttergöttin ihre armen Seelen zu sich nehmen«, flüsterte Dalish entsetzt.
    Marrah sagte nichts, legte nur schützend eine Hand auf ihren Bauch, als könnte der dünne Schild aus Fleisch und Knochen das Kind in ihrem Leib vor einem solchen Schicksal bewahren. Als sie zu Hiknak hinüberschaute, sah sie, wie diese Arangs Arm umklammert hielt.
    Schweigend ritten sie weiter, zu erschüttert, um zu sprechen. Bald wandten sie sich nach Süden, und als sie Shambah fast streiften –obwohl sie westlich an der Stadt vorbeiritten und gehörigen Abstand bewahrten –, waren häufiger Dörfer anzutreffen. Hier hatten aufgrund des sumpfigen Landes die meisten der Siedlungen einst Flachs angebaut. Wenn sie Flüsse überquerten, konnten sie oft die Gestelle aus Weidengeflecht an den Stellen sehen, wo früher der frisch geerntete Flachs zum Einweichen ausgebreitet worden war; anschließend wurde er getrocknet, geschält, gereinigt und in die Tempel von Shambah geschickt, um dort zu dem feinen Leinen verarbeitet zu werden, für das die Stadt berühmt gewesen war. Jetzt gähnten die Weidengestelle vor sich hin, mit klaffenden Löchern, die Marrah an Münder mit ausgeschlagenen Zähnen erinnerten.
    Dank der Gnade der Göttin waren diese Dörfer nicht niedergebrannt worden, und die Dorfbewohner lebten noch, aber irgend etwas Schreckliches mußte ihnen zugestoßen sein, was auf den ersten Blick nicht zu erkennen war; denn sobald sie die Fremden erblickten, schrien die Leute alarmiert auf, warfen ihre Hackstöcke fort, griffen hastig nach ihren Kindern und flohen in den Wald; und ganz gleich, wie laut Marrah und die anderen riefen, sie seien in friedlicher Absicht gekommen, die Ortsansässigen blieben versteckt.
    Die Neuigkeit ihrer Anwesenheit mußte sich in Windeseile herumgesprochen haben, weil sie bald darauf in Dörfer kamen, in denen überhaupt keine Menschenseele mehr anzutreffen war. Kochtöpfe hingen dampfend über im Stich gelassenen Feuern, Wasserkrüge lagen neben den Bächen, Kühe und Ziegen waren in solcher Eile weggetrieben worden, daß die Zäune aus Schilfrohr, die die Pferche umschlossen, oft umgerissen und plattgetrampelt dalagen. Es war bestürzend für Marrah und ihre Gefährten, eine solche Panik durch ihr

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