Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin
und einem scheuen, unansehnlichen weiblichen Wesen, das links von ihm im Schneidersitz saß und auf seinem absonderlichen Saiteninstrument spielte, einem bogenförmigen Ding, mit bunten Schmetterlingen bemalt.
Er hatte die Musik bisher kaum wahrgenommen, doch jetzt erinnerte er sich vage daran, sie bestellt zu haben, als er sich kurz nach dem Frühstück zum Trinken niedergelassen hatte. Was für ein reizloses Weibsstück, dachte Nikhan verächtlich, als er die Sängerin musterte. Während die Frau spielte, sammelten sich Tränen in ihren Augenwinkeln und kullerten über ihre Wangen, was vielleicht noch ganz liebreizend gewesen wäre, hätte sie nicht dunkle Haare auf der Oberlippe gehabt und plumpe, rötliche Hände. Nikhan grunzte angewidert und versuchte sich zu erinnern, ob es nicht ansehnlichere Frauen im Sklavenquartier gab.
Das Mädchen fuhr fort zu spielen, während ihr die Tränen unaufhaltsam über die Wangen rannen. Sie sang eines der Lieder, die nach altem Brauch während des Schmetterlingsfestes erklangen, und jedesmal, wenn der Name der Göttin Chilana in einer Strophe auftauchte, dachte sie an die Kinder, die heute hätten tanzen sollen und die jetzt unter Schutt und Asche begraben lagen. Sie war nahe daran, ihr Instrument auf den Boden zu werfen und zusammenzubrechen. Aber Nikhan, der kein Wort Shambahnisch verstand, hatte keine Ahnung von diesem Drama, das sich in der kleinen Sängerin abspielte.
Er gähnte gelangweilt. Der zentrale Raum des Forts war warm und rauchig dank der großen Feuerstelle in der Mitte und dem winzigen Abzugsloch in der Decke, das den Öffnungen in den Nomadenzelten nachempfunden war – nur daß es sich viel weiter oben befand und nicht annähernd soviel frische Luft zuführte. Die heisere Altstimme der Sängerin schwoll an und verklang dann wieder wie eine langsam dahingleitende Welle. Nikhan schob seine Kissen zurecht und wollte den Gesang genießen, aber es war einfach unmöglich, sich einen solchen Unsinn anzuhören. Was er schätzte, waren dröhnende Trommeln und Erregung – Musik, die einem Mann das Gefühl von Erhabenheit und Stärke vermittelte –, nicht dieses jämmerliche Geleier.
Er zog seinen Dolch hervor und stocherte mit der Spitze in seinen Zähnen herum, während er sich fragte, warum die Lieder der Wilden bloß immer so trübsinnig waren – sogar ihre Liebeslieder. Hätte er sich die Mühe gemacht, genauer darüber nachzudenken, wäre ihm klar geworden, daß seine Sklaven wohl kaum in heiterer Stimmung sein konnten bei den ihnen jüngst widerfahrenen Greueln. Aber Nikhan war ganz einfach enttäuscht und schmollte.
Nachdem er eine störrische Fleischfaser aus einer Lücke zwischen seinen Backenzähnen entfernt hatte, schob er den Dolch wieder in seine Lederscheide zurück und streckte eine knochige Hand aus, geschmückt mit goldenen Ringen, die seine Krieger den Priesterinnen aus fünf nahegelegenen Dörfern abgezogen hatten. » Genug! « sagte er mit einer trägen, verschwommen klingenden Stimme, in der eine Spur von Drohung mitschwang.
Die Sängerin brach augenblicklich ab, sprang wie eine verschreckte Ziege auf die Füße und verbeugte sich vor Nikhan auf die Art, wie er es allen seinen Sklaven beigebracht hatte: tief und ohne ihm in die Augen zu sehen. Er musterte die Frau einen Moment und seufzte resigniert. Sie war wirklich ein erbärmlicher Anblick: dunkelhäutig, mit dicken, plumpen Fesseln und Brüsten, die völlig unter ihren Lumpen verschwanden.
Noch einmal seufzte er und kam zu dem Schluß, daß er noch nicht betrunken genug war, um sie zu berühren; aber die anderen Frauen in den Sklavenquartieren würden wahrscheinlich auch nicht viel besser sein. Seine Männer hatten die meisten der hübschen Frauen zu Tode geschändet, als sie die Dörfer überfielen. Er würde etwas in dieser Sache unternehmen müssen, wenn er seine Krieger im Sommer wieder ausschickte, um die Abgaben der Dörfler einzusammeln. Ein paar der Töchter würden bis dahin neun oder zehn Jahre alt sein, und es war höchste Zeit, daß sie in sein Quartier gebracht und gelehrt wurden, wie man einem Mann Vergnügen bereitete. Er kam sich wirklich lächerlich vor, aus einem Goldpokal zu trinken und nicht eine einzige begehrenswerte Frau im gesamten Lager zu haben.
Die Sängerin, die gut in den Gesichtern anderer Menschen lesen konnte, biß sich auf die Lippen und packte ihre Harfe so fest, daß ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie wußte, der Häuptling dachte daran,
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