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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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erwiesen: Er vergewisserte sich stets, ob seine Männer genug zu essen hatten und auch weibliche Dienste zur Verfügung standen; wenn es zudem irgendwelche Beute aufzuteilen gab, nahm er niemals mehr als seinen gerechten Anteil. Als er jetzt so dalag, betrunken und vollkommen in Gedanken an seine Außerordentlichkeit versunken, betrachteten ihn die Krieger, die Wache hielten, mit Bewunderung und einer Ergebenheit, die an Liebe grenzte.
    Die vier Männer waren seit dem frühen Morgen auf ihrem Posten, wobei sie sich knapp außerhalb des Feuerscheins bereithielten, falls ihr Häuptling sie brauchte. Den ganzen Tag lang hatten sie dort gestanden, ohne ein Wort zu sagen und ohne sich zu bewegen, außer um gelegentlich nach einer Fliege zu schlagen oder sich über die trockenen Lippen zu lecken. Wegen der Hitze waren sie bis zur Taille entblößt, nur in Stiefel und kurze wollene Lendentücher gekleidet. Wenn Nikhan sich die Mühe gemacht hätte, die Augen zu öffnen, hätte er die Clanzeichen und Tätowierungen gesehen, die ihre Arme und Brustkörbe bedeckten – die Habichte und Sterne und Wölfe, die sie zu seinen Gefolgsleuten machten, bis das Fleisch von ihren Knochen fiel oder ihnen die Haut vom Leib gezogen würde.
    Sie waren schwer bewaffnet – strotzten nur so von Bögen, Speeren, Äxten und Dolchen –, und wenn sie ihren kleinen Häuptling hätten angreifen wollen, hätte er keine Chance gegen sie gehabt; aber da er immer zu ihnen hielt, bewahrten sie auch ihm die Treue. Außerdem waren sie stolz auf ihn. Noch wenige Monate zuvor hatten sie sich herumgedrückt und sich mit dem begnügen müssen, was die Hansi übrig ließen. Jetzt waren sie die Eroberer. Jeder der vier Männer hatte eine Sklavin, mit der er tun konnte, was er wollte, und zwei oder drei Knechte zum Herumkommandieren. Sie waren so reich, wie sie es sich selbst in ihren wildesten Träumen nicht hätten vorstellen können, aßen jeden Tag Fleisch, tranken shambahnischen Wein, schliefen in trockenen, bequemen Betten und lebten in unvorstellbarem Luxus.
    Ja, bei Han, ihr Häuptling war wirklich ein schlauer Fuchs. Schon jetzt erzählten sich die Männer Legenden über ihn am Lagerfeuer: wie der Gott des Leuchtenden Himmels einst bei seiner Mutter gelegen hatte; daß Nikhan ein Günstling der Unsterblichen war und vor allen anderen auserkoren. Einige behaupteten, er hätte ganz einfach Glück gehabt; doch andere beharrten darauf, daß kein Pfeil ihn jemals treffen und keine Messerklinge jemals sein Fleisch durchbohren könne. Nacht für Nacht wurde eine neue Heldensage erfunden, mit Nikhan im Mittelpunkt wie die Sonne und seine treuen Männer um ihn geschart wie die Sterne. In diesen Geschichten – und in seiner eigenen Phantasie – gedieh Nikhan nach und nach zu einem wahren Fürsten.
     
    Die Tage wurden wärmer, die Schatten länger; die Schmetterlinge von Shambah flatterten über die Trümmer der Stadt und saugten Nektar aus Blumen, die nichts von Krieg oder Invasion wußten. Die blauen Ritterspornrispen wiegten sich in der milden Brise, die vom Süßwassersee herüberwehte, und die Geißblattblüten öffneten sich und parfümierten die Luft mit ihrem betörenden Duft.
    Eine Zeitlang war alles friedlich. Nikhan schlief auf seinen Federkissen und schnarchte leise, versunken in süße Träume von Liebe und Macht und edlen Pferden. Seine vier Wachen entspannten sich daran, ihr Mittagsmahl zu verzehren, während sie dicke Scheiben gedörrten Pferdefleisches zwischen ihre Lippen schoben und mit ihren Dolchen mundgerechte Stücke abschnitten. Sie kauten verstohlen, wie Eltern, die sich davor fürchten, ein unruhiges Kind zu wecken.
    Draußen auf dem hölzernen Gesims, das an der Innenseite des Festungswalls entlanglief, standen die Wachtposten, gähnend und blinzelnd, und hielten Wache mit der halbherzigen Aufmerksamkeit von Männern, die wußten, daß es nichts zu sehen gab. Wenn sie nach Westen über die Ruinen der Stadt hinwegblickten, sahen sie höchstens Blumen und Schmetterlinge; und wenn sie nach Osten zu dem breiten Sandstreifen hinüberschauten, der sich zwischen Stadt und See erstreckte, sahen sie nur Möwen, Schilfgras und Gischt-flocken, die wie weiße Wattebäusche durch die Luft flogen.
    Dann tauchte plötzlich etwas am Horizont auf – etwas, das die Wachen alarmiert aufschreien und Pfeile in ihre Bögen einspannen ließ.
    »Weckt den Häuptling! « brüllten sie.
    »Sattelt die Pferde! «
    »Die Hansi sind zurückgekommen! «
    »Wir

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