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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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werden angegriffen! «
    Zwei von ihnen besaßen die Geistesgegenwart, durch die Öffnung in dem Holzwall zu laufen und die Baumstämme zu höheren Barrikaden aufzutürmen, damit nichts und niemand eindringen konnte. Der dritte rannte davon, um Nikhan zu alarmieren.
    Innerhalb von Sekunden war der Häuptling auf den Füßen und kampfbereit. Hastig griff er nach seinem Speer und seiner Streitaxt und begann, Befehle zu brüllen. Er brauchte nicht lange nachzudenken, brauchte sich nicht zu fragen, wie es eine Feindesmacht geschafft hatte, so früh im Jahr bis hierher vorzudringen, oder warum die Krieger überhaupt gekommen waren. Von vornherein hatte er mit Schwierigkeiten gerechnet, so wie ein vorwitziger Hund mit einem Fußtritt.
    Überfälle aus dem Hinterhalt waren ein ebenso selbstverständlicher Teil seines Lebens wie Essen und Schlafen, und als er in seiner weinbekleckerten Tunika zu dem Schutzwall hinausrannte, warf er den Kopf in den Nacken und stieß den Shubhai-Schlachtruf aus; dabei lachte er fast, denn jetzt würde er endlich seinen Feinden begegnen, und bei Han, dieses Mal würde er sie vernichten!
    Er kletterte die geflochtene Leiter zu dem hölzernen Gesims hinauf und blickte aus einem der Gucklöcher, während seine Mitstreiter respektvoll neben ihm standen, um Befehle entgegenzunehmen. Lange Zeit herrschte Schweigen. Nikhan fuhr sich mit der Zunge über die abgebrochenen Kanten seiner Schneidezähne und starrte angestrengt auf die fünf Flecken in der Ferne.
    Sie bewegten sich auf das Fort zu, kamen so langsam wie Krebse über den Strand heraufgekrochen. Pferde! dachte er, und die Wilden haben keine Pferde – also, wer könnte es anders sein als die Hansi, die zurückkommen, um das Gold und die Sklaven zu fordern, die sie seinerzeit in ihrer Dummheit zurückgelassen haben? Halt, nein, irgendwas stimmte da nicht. Er rülpste und schmeckte das säuerliche Aroma von Wein. Fünf, dachte er. Eine Unglückszahl. Er blinzelte und zählte die Flecken zum dritten Mal, zählte sie zur Sicherheit noch einmal an seinen Fingern ab. Nein, es bestand kein Zweifel, mehr als fünf Reiter zeigten sich nicht.
    Aber wo war der Rest? Da draußen hätten mindestens dreißig Krieger sein müssen, bis an die Zähne bewaffnet, und sie hätten geradewegs auf das Wehrdorf zustürmen müssen wie ein Rudel Wölfe. Ob dies hier Kundschafter waren? Oder dachten die Hansi derart verächtlich von ihm und seinen Männern, daß sie glaubten, fünf ihrer Krieger würden genügen, um zwanzig und mehr Shubhai-Krieger zu überwältigen?
    Nach und nach wurden die Flecken größer und begannen, Form und Farbe anzunehmen. Nikhan beobachtete aufmerksam, wie sich die Reiter näherten. Trotz seines inzwischen vorgerückten Alters waren seine Augen ungewöhnlich scharf, und er konnte bereits die Einzelheiten ausmachen, lange bevor seine Wachen irgend etwas anderes als Silhouetten erkannten. Bald wußte er genau, was er da vor sich hatte; er stieß einen zischenden Laut der Enttäuschung aus und trat von dem Fenster zurück, um sich zu den Wachen umzudrehen, die den Alarm ausgelöst hatten.
    »Ihr Idioten«, sagte er, und dann fing er an zu lachen. Sein Lachen war nicht freundlich, sondern es hatte einen unangenehm höhnischen Unterton, seine Krieger starrten beschämt auf ihre Stiefel, schluckten hart und kamen sich ziemlich dumm vor, auch wenn sie noch immer nicht wußten, warum ihr Häuptling eigentlich lachte.
    Sie sollten es ziemlich bald herausfinden. Nikhan gab Anweisung, die Baumstämme zu entfernen, die vor der Öffnung des Walles aufgetürmt waren. Alsbald stellten sich die Flecken als eine windige Truppe heraus, und die betretenen Shubhais konnten selbst sehen, daß ihr vermeintlicher Hansi-Feind aus einem Mann, einem Jungen und drei Frauen bestand, von denen zwei dickbäuchig und schwanger waren.
     
    Als Marrah auf Shambah zuritt, erhoben sich die Ruinen der Stadt plötzlich aus dem Wald wie verkohlte Pflanzen, die zwischen den Stämmen ebenso verkohlter Bäume verstreut lagen. Das erste unversehrte Gebäude, das sie sah, war die Festung der Nomaden: ein großer, häßlicher Kasten, umgeben von einer Mauer aus Baumstämmen, die wie Pfähle in die Erde gerammt waren. Die oberen Enden der Pfähle waren zu scharfen Spitzen zurechtgeschliffen und mit Dornenranken umwunden worden, um etwaigen Eindringlingen den Garaus zu machen.
    Nahe an der Mauer standen zehn windschiefe Lederzelte, in der für die Nomaden typischen Art aufgestellt.

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