Althalus
«
»Da bin ich sicher. Und ich glaube, wir haben einen weiten Weg vor uns.«
»Du vergeudest Zeit, Althalus«, erklang Emmys tadelnde Stimme in seinem Kopf. »Du und Bheid könnt auf dem Weg zurück nach Osthos über die Sterne nachgrübeln.«
»Osthos!«, protestierte Althalus laut. »Emmy, wir kommen gerade von dorther!«
»Ja, ich weiß. Jetzt müssen wir dorthin zurück.«
»Habt Ihr gerade mit Emmy geredet?«, fragte Eliar. »Hat sie gesagt, dass wir nach Osthos zurück müssen? Ich darf mich dort nicht mehr sehen lassen, Althalus! Wenn Andine mich entdeckt, hat mein letztes Stündlein geschlagen. Wahrscheinlich bringt das Mädchen mich eigenhändig um.«
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Bheid verwirrt.
»Wir haben soeben unseren Marschbefehl erhalten«, erklärte Althalus. »Eliar ist nicht allzu erfreut darüber.«
»Ist etwas geschehen, das mir entgangen ist?«
»Emmy sagte mir, dass wir nach Osthos zurück müssen.«
»Ich fürchte, ich verstehe dieses ganze Gerede über die Person nicht, die ihr Emmy nennt.«
»Emmy ist Deiwos' Bote -sozusagen. Die Sache ist ein wenig komplizierter, aber wir wollen dich jetzt nicht noch mehr verwir ren. Deiwos sagt Emmy, was getan werden soll. Dann erklärt sie es mir und ich gebe es weiter.«
»Wir nehmen Befehle von einer Katze entgegen? «, rief Bheid ungläubig.
»Nein, von Gott. Aber wir können uns auf dem Weg nach Os thos darüber unterhalten. Emmy will, dass wir möglichst bald aufbrechen.« Althalus schaute sich um. »Häufen wir noch weitere Steine auf den Toten, damit er nicht so leicht zu sehen ist. Dann holen wir deine Habe, und ich kaufe dir ein Pferd. Wir werden am frühen Morgen losreiten.«
Sie verbargen die Leiche gründlicher und zogen durch die Ruinen zum Nordende von Awes. »Wer ist diese Andine, von der du gesprochen hast? «, wandte Bheid sich an Eliar.
»Sie ist die Herrscherin von Osthos «, antwortete Eliar. »Sie will mich töten.«
»Warum, in aller Welt?«
»Nun«, erwiderte Eliar sichtlich verlegen. »Ich habe auf gewisse Weise ihren Vater getötet, aber das war im Krieg, und so etwas geschieht in einem Krieg nun mal. Ich habe lediglich meine Pflicht getan, doch Andine hat es persönlich genommen. Ich habe mir wirklich nichts dabei gedacht, denn ich bin Söldner und führe Befehle aus, aber ich fürchte, Andine hat das nicht so recht verstanden.«
»Versteht Ihr, was er da redet?«, fragte Bheid Althalus verständnislos.
»Du hättest dabei sein müssen«, antwortete Althalus. »Es war wirklich äußerst kompliziert. Wir können uns auf dem Weg nach Osthos darüber unterhalten.«
Am Nordende von Awes, wo die in schwarze Kutten gekleideten Priester hausten, holten sie Bheids Decken und seine wenige restliche Habe und kehrten zu dem Behelfslager zurück, wo Althalus und Eliar in der Nacht zuvor geschlafen hatten. Anschließend begaben Eliar und Bheid sich zur Koppel des Pferdehändlers und kehrten mit einem Reittier für ihren neuesten Gefährten zurück.
»Ich habe entsetzlichen Hunger, Althalus«, sagte Eliar hoffnungsvoll. »Könnten wir heute Abend Rindfleisch statt Fisch bekommen?«
»Ich werde Feuer machen«, erbot sich Bheid.
»Das ist nicht nötig«, versicherte Althalus ihm. Dann beschwor er ein großes Roastbeef und mehrere Brotlaibe herbei. Bheid zuckte heftig zusammen. »Da stellen sich dir die Haare auf, nicht wahr?« Eliar lachte. »Ich
hatte Angst, das erste Abendbrot zu essen, das er auf diese Weise herbeibeschworen hatte. Aber das Essen, das er mit Worten erschafft, ist wirklich sehr gut.« Eliar langte mit großer Begeisterung zu.
»Wie macht Ihr das?«, fragte Bheid Althalus mit ehrfürchtiger Stimme.
»Emmy nennt es ›das Buch benutzen‹«, antwortete Althalus. »Sie hat es mich im Haus am Ende der Welt gelehrt, wo das Buch sich befindet.«
»Welches Buch?«
»Das Buch Deiwos' natürlich.«
»Ihr habt das Buch Deiwos' wahrhaftig gesehen?«
»Es gesehen?« Althalus lachte. »Ich habe fünfundzwanzig Jahrhunderte damit gelebt. Ich kenne es vom Anfang bis zum Ende auswendig und von Seite zu Seite, falls du es wirklich hören möchtest. Ich glaube, ich könnte es sogar von unten nach oben zitieren, wenn es sein müsste.«
»Aber wie könnt Ihr mit dem Buch Deiwos' Wunder wirken?«
»Das Buch ist das Wort Gottes, Bheid. Es ist in einer uralten Sprache geschrieben -ein wenig wie die unsere, aber eben nicht genauso. Die Worte aus der alten Sprache lassen Dinge geschehen. Wenn ich sage
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