Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
Zimmers und jede Stufe knarzte vor Gedankenschwere. Das also war nun ihr Schicksal. Sie würde Miraj heiraten. Nach all der Zeit, in der sie ihn aus der Ferne beobachtet hatte, sollte sie nun seine Frau werden.
Sie wusste, dass Silvia noch immer der Meinung war, sie müsse Miraj von ihren Kräften erzählen. Anne war sich da indes nicht so sicher. Denn natürlich würde Miraj dies auch dem Hohen Rat mitteilen und wer wusste, was dann geschah. Sie fühlte sich zu jung zum Heiraten, doch andererseits – wäre sie auf dem Hof ihres Vaters geblieben, dann wäre das auch nicht viel später auf sie zugekommen. Und immerhin war es Miraj.
Anne war endlich oben angelangt und setzte sich auf ihr Bett. Was für seltsame Wege das Schicksal doch zuweilen ging. Sicher hatte die weise Samira, die doch so weit in die Zukunft sehen konnte, gewusst, was passieren würde. Aber wie stand Miraj selbst dazu? Er schien bereit, sich dem Willen des Hohen Rates zu beugen, aber gewiss freute er sich nicht gerade darüber.
Ein Teil von Anne konnte ihn verstehen. Es war nicht gut, zum Heiraten gezwungen zu werden. War sie nicht auch viel zu jung für ihn? Gewiss, er hatte ihr Komplimente über ihre Klugheit gemacht. Das war immerhin besser als nichts. Dass er sich die Frau seiner Träume so vorgestellt hatte, konnte Anne jedoch nicht glauben. Sie sah ganz anders aus als Gwynda – Anne warf einen Blick in den Spiegel – ja, weit weniger besonders. Und dann sollten sie auch noch ein gemeinsames Kind bekommen. Trotz alldem musste sie zugeben, dass ihr der Gedanke, Miraj schon bald täglich zu sehen, immer besser gefiel.
Anne war völlig in Gedanken versunken und so merkte sie gar nicht, wie ihr allmählich die Augen zufielen und sie in den Schlaf glitt. Doch plötzlich schreckte sie hoch und sprang mit einem Satz aus dem Bett. Der Traum! Die Hochzeit! Würde das nun Wirklichkeit werden? Und was hatte es zu bedeuten? Der rote Blitz, die vielen Leute, der Priester – all das begann sich vor Annes innerem Auge zu drehen. Sie ließ sich wieder fallen.
Mehrere Stunden lang lag sie auf dem Bett und malte sich – abwechselnd in den schillerndsten, fröhlichsten Farbtönen und dann wieder im dunkelsten Schwarz – aus, was da auf sie zukam. Schließlich aber erhob sie sich vom Bett und fühlte in sich eine bisher ungekannte Entschlossenheit. Es hatte keinen Sinn, sich den Kopf zu zerbrechen. Sie würde den Dingen ihren Lauf lassen. Sie wollte es endlich wissen und geschehen lassen, was geschehen musste!
Um sich von immer neuen Gedanken über Miraj abzulenken, nahm sie am Schreibtisch Platz. Der Bücherstapel war verschwunden, nur das Buch über magische Pferde lag noch einsam dort. Sie schlug es wahllos an irgendeiner Stelle auf und fing an zu lesen. Doch die Worte glitten an ihrem Bewusstsein vorbei. Sie war viel zu unkonzentriert, um es von vorne bis hinten zu lesen. Stattdessen schlug sie das Inhaltsverzeichnis auf. Es gab ein Kapitel über „magische Pferde und Somniae“. Anne sprang direkt zu diesem Kapitel und schmökerte.
Der Inhalt war interessanter, als sie geglaubt hatte und schaffte es tatsächlich, sie so zu fesseln, dass sie von den Geschehnissen in ihrem Umfeld abgelenkt wurde. Da magische Pferde bei allen Wesen die Zauberkraft verstärkten, setzten Somniae sie ganz bewusst ein, um weiter in die Zukunft zu blicken. Sie konnten mittels eines komplizierten magischen Vorgangs ihren Geist mit dem des Pferdes vereinen und so besser steuern, was sie in ihren Träumen sahen. Anne las auch, dass magische Pferde ein gutes Gespür dafür hatten, wenn sie eine Somnia trafen. Das erklärte also, warum Animus die ganze Zeit so an ihr interessiert war. Anne beschloss, bei der nächsten Gelegenheit zu Animus zu gehen – da sie nun bald bei Miraj lebte, würde das ja nicht allzu schwer sein – und den Versuch zu wagen, ein paar Einblicke in die Zukunft zu erhaschen. Das würde ihr sicher noch von Nutzen sein.
Mit dem Kopf auf dem Schreibtisch schlief sie dann ein. Silvia war es, die sie am Morgen in dieser unbequemen Position vorfand. Sie hatte für Anne ein leckeres Frühstück aus frischen Waffeln zubereitet und beobachtete ihre mögliche Schwiegertochter, während diese aß. Als Anne fertig war, fragte sie: „Und? Was wirst du tun?“ Anne sah auf. „Ich werde ihn heiraten. Und ich werde ihm vorerst nicht sagen, dass ich Kräfte habe. Irgendetwas sagt mir, dass ich den Dingen ihren Lauf lassen muss. Und so ähnlich waren auch die Worte
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