Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
alles vor der Ankunft der Magier in Altraterra lag im Dunkeln und wurde daher nur die prämagische Zeit genannt. Anne hätte gern erfahren, woher die Magier denn gekommen waren, aber darüber schwieg sich das Buch aus. Sie sann eine Weile darüber nach und beschloss, irgendwann in der Bibliothek darüber nachzuforschen.
Deutlich wurde jedenfalls, dass es in der prämagischen Zeit bereits Menschen in Altraterra gegeben hatte, die aber wohl ein weitgehend primitives Dasein geführt hatten. Irgendwann waren diese Menschen sesshaft geworden und ohne dass sie es merkten, hatten die Grünmagier diese Entwicklung begünstigt, indem sie die Menschen vor den Schwarzmagiern und deren finsteren Absichten beschützten. Anne runzelte die Stirn. Das hieß also, ihr Volk war zwar älter als das der Magier, aber wenn es sie nicht gegeben hätte, wäre das Schicksal der Menschheit ein ganz anderes gewesen. Anne hatte eine seltsame Ahnung, dass diese Dinge sie in einer fernen Zukunft noch beschäftigen würden. Für den Augenblick gab es aber Fragen, die sie mehr interessierten.
So erfuhr sie, dass die Schwarzmagier wie die Grünmagier zu Beginn weder besonders schön noch hässlich gewesen waren. Erst ihre Zauber hatten sie zu dem gemacht, was sie waren. Wie Anne bereits von Miraj wusste, hatten die Schwarzmagier ihre magische Sprache bald dahingehend verfeinert, mit ihrer Hilfe Schlechtes zu tun und waren mit jeder Tat hässlicher geworden. Bei den Grünmagiern war es umgekehrt.
Bei der weiteren Lektüre kam Anne eine Frage in den Sinn, auf die sie hier jedoch keine Antwort fand – natürlich nicht, denn das Buch handelte in erster Linie von den Schwarzmagiern. Wann genau war die Lehre aufgetaucht, dass die Grünmagier ihre Gefühle unterdrücken müssten, wenn sie gute Zauberer sein wollten? Anne würde sich auch hierzu in der Bibliothek schlau machen.
Über die Bibliothek kam sie zu Jamiro. Nach dem Gespräch mit Miraj war sie sich nicht mehr sicher, was sie von ihm halten sollte. Ihr Gefühl hatte ihr gesagt, dass Jamiro keinen üblen Charakter hatte, doch sein Verhalten gegenüber Henri und Miraj strafte Annes Gefühle Lügen. Sie wusste einfach nicht, ob sie sich weiter mit ihm treffen sollte. War dies nicht Verrat an ihrem Bruder? Dennoch wollte sie nicht ihren einzigen Freund aufgrund eines Fehlers aufgeben, den er in der Vergangenheit gemacht hatte.
Als Anne so grübelnd dasaß, stellte sie mit Erschrecken fest, dass die Sonne bereits aufging. Schnell klappte sie die Bücher zu und legte sich ins Bett, damit sie wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf fand. Doch bald darauf – zumindest schien es Anne so – stand Silvia in der Tür. „Willst du denn heute gar nicht aufstehen, Anne?“ erkundigte sie sich. „Es ist bereits Mittag.“ Anne grunzte unwillig. „Ich habe bis mitten in die Nacht gelesen.“ Silvia schien wenig Mitleid mit Anne zu haben. „Nun, vielleicht wird es dich überzeugen, dass ich eben eine Nachricht von Miraj erhalten habe. Er kommt heute Abend zum Essen vorbei. Ich soll dich ganz herzlich grüßen und dir ausrichten, er freut sich schon auf ein ebenso anregendes Gespräch wie gestern Abend.“
Anne spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg. Nun war sie hellwach. Silvia ließ sie allein, damit sie sich zurechtmachen konnte. „Beeil dich“, rief sie von der Treppe aus. „Ich möchte ein festliches Mahl auftischen und brauche deine Hilfe in der Küche.“
Kapitel 30: Der Botschafter
Die ganze Szenerie erinnerte Anne daran, wie sie gemeinsam mit ihrem Vater das Haus für Henris Ankunft vorbereitet hatte. Den Tag über wurde geputzt und gewienert, Gemüse geschnitten und alles Mögliche vorbereitet. Dann zog man den Sonntagsstaat an und harrte der Ankunft jener Hauptperson. Doch als Miraj schließlich heran galoppierte, schien er den Aufwand, der für ihn veranstaltet worden war, gar nicht zu sehen. Er wirkte seltsam nervös und platzte gleich mit der Nachricht heraus, es gäbe wichtige Neuigkeiten vom Hohen Rat, die keinen Aufschub duldeten.
Silvia kommandierte ihn dennoch als erstes in die Küche, wo er schweigend und lustlos einige Erbsen von seinem Teller mit der Gabel aufspießte. Anne und Silvia wechselten einen verständnislosen Blick – sie hatten sich mit dem Essen so viel Mühe gemacht. Schließlich wischte sich Miraj mit der Serviette den Mund ab, obwohl er noch nicht einmal die Hälfte gegessen hatte, und begann: „Eigentlich habe ich euch die Nachricht in dem Vorsatz
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