Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
und auch eine gute Freundin. Es mag sein, dass Jana mehr in mir sieht als einen Freund. Aber sie weiß, dass ich mich seit Gwyndas Tod für keine Frau interessiert habe.“
Anne nickte verloren. Hier also hatte sie ihre Antwort. Miraj hatte keine Gefühle für Jana. Aber anscheinend auch für sonst niemanden. Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen und stand hastig auf, damit Miraj es nicht sah. „Wir sollten zurückreiten“, sagte sie bestimmt und schickte sich an, in den Sattel zu steigen. Da stand Miraj abrupt auf und legte ihr die Hand auf den Arm. „Wir haben noch einen Moment Zeit“, sagte er bedeutungsvoll und drehte sie zu sich um. Anne senkte den Blick, damit er ihre Tränen nicht sah, aber er hob ihr Kinn an und sah ihr in die Augen. Mit dem Daumen wischte er ihr die Tränen weg. „Was glaubst du, warum ich eingewilligt habe, dich zu heiraten?“, fragte er leise.
Er war so nah, dass Anne fast schwindelig wurde. „Um mich zu beschützen?“, fragte sie ebenso leise. Miraj lächelte. „Nicht nur. Du bist eine bemerkenswerte junge Frau. Das habe ich dir schon mehrmals gesagt – und das noch, bevor ich wusste, was für ungewöhnliche Kräfte du hast. Und nun, wo ich es weiß, bin ich mir sicher, dass du eines Tages Großes erreichen wirst.“ Anne sah ihn ernst an. Das war hier nicht das Thema und Miraj wusste das, musste es wissen. Er schindet Zeit, dachte sie. „Ich hätte dich gern geheiratet“, fuhr er nun zu ihrer Überraschung fort. „Seit Gwynda gab es keine Frau, die ich so gern geheiratet hätte. Aber ich bin dennoch froh, dass es nicht dazu gekommen ist. Du bist zu jung, um schon eine solche Verpflichtung einzugehen und erst recht zu jung für ein Kind. Du musst deinen Weg erst noch finden. Allein.“
Seine Worte verwirrten Anne. Einerseits schien er ihr so nah und dann brachte er das Alter, diese unüberwindbare Distanz zwischen ihnen, ins Gespräch. Sie wollte nicht hören, dass sie zu jung war. Sie hatte von ihm und ihrer Hochzeit schon vor Jahren geträumt. Ein wenig zynisch sagte sie zu ihm: „Ich habe verstanden. Du magst mich, aber ich bin dir zu jung.“ Sie stieß ihn weg. „So geht das schon mein ganzes bisheriges Leben lang. Ich bin jung, ich bin eine Frau, man traut mir Dinge nicht zu, lässt mich bei Geheimnissen außen vor.“ Sie redete sich allmählich in Rage. „Und egal, was ich tue und wie sehr ich mich bemühe, ernst genommen zu werden, ich bleibe immer die kleine junge, wenn auch bemerkenswerte, Frau.“ Die letzten Worte hatte sie beinahe geschrien.
Miraj sah sie bestürzt an. „Jetzt begreife ich, warum du so wütend auf deinen Bruder bist. Er hat dir immer das Gefühl gegeben, dass du nicht gut genug bist“, stellte er fest. Anne stand ganz still, dann lehnte sie sich an ihn, legte die Arme um seinen Hals und schluchzte. Miraj zögerte nur einen Moment, dann nahm er sie fest in die Arme und streichelte ihr Haar. Seine Nähe tat ihr gut und sie fühlte sich etwas besser. Sie löste sich von ihm und wollte nun in der Tat auf ihr Pferd steigen. Doch dann fing sie seinen Blick auf, erhaschte einen Einblick in seine Gedanken und blieb still stehen. Sie hatte darin den Satz gelesen: „Du bedeutest mir mehr, als du ahnst. Wenn ich doch nur …“ Miraj schluckte, doch als Anne sich nun zu ihm umdrehte, schien er einen inneren Kampf aufzugeben. Er beugte sich vor und küsste sie. Anne war nur einen Moment überrascht, dann erwiderte sie den Kuss.
Minutenlang standen sie da. Dann löste sich Miraj behutsam von ihr und schüttelte den Kopf über sich selbst. „Ich werde nie begreifen, wie die Grünmagier ihre Gefühle so beherrschen können. Mir fällt das nicht so leicht.“ Anne lächelte nur, sie war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Schließlich stiegen beide auf ihre Pferde und ritten zu den anderen zurück. Sie sprachen kein Wort, bis sie ihre Mitreisenden erreicht hatten.
Im Lager blieb Anne keine Zeit, über sich und Miraj nachzudenken. Denn gleich kamen ihnen ein paar Männer entgegen. „Wir haben frische Spuren gefunden“, informierten sie Miraj. Der sprang vom Pferd und folgte ihnen, besah die Abdrücke im Sand und kehrte dann eilig zurück. „Sie müssen hier ganz in der Nähe sein, wir sollten sofort weiterreiten“, sagte er und alle saßen wieder auf.
Es dauerte tatsächlich nur etwa drei Stunden, bis sie Aracio und seine Männer sehen konnten. Schnell hatten sie sie eingeholt und durch die Überzahl an Männern schließlich überwältigt. Ein
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