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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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wer hat ihn geschrieben, den Bericht? Ich.« Wütend wischte er seine Computermaus ans andere Ende des Tisches.
    »Verstehe. Und nun wird er in vier Wochen erscheinen, auf ein Drittel gekürzt, zwischen goldener Hochzeit und Wettervorhersage. Ist dir das so wichtig?«
    »Ja, das ist mir wichtig«, belferte er. »Es war mein bester Artikel seit Langem. Ich habe nichts dagegen, wenn er vier Toten weichen muss. Aber nicht dem Geseire eines aufgescheuchten Kollegen, der auf sämtliche Tränendrüsen drückt, nicht dem Beileidsschreiben der Freiwilligen Feuerwehr Zuzenhausen …«
    »Schon gut.«
    »… und nicht der Hundestory aus Neulußheim. Das habe ich nicht verdient, und der Typ hat es auch nicht verdient. Kapiert?«
    »Ja, kapiert. Wobei ein Finanzhai mit zweifelhaftem Ruf …«
    »… durchaus ein Recht auf Öffentlichkeit hat. Zu deiner Beruhigung: Ich habe keinen neoliberalen Kotau vor ihm gemacht. Aber auch nicht das Gegenteil. Schließlich gehöre ich zu den Redakteuren, die konträre Meinungen in ihren Texten gelten lassen. Und nicht bloß an den Weichteilen des Lesers herumfummeln. Wau, wau, wau!«
    Ich grinste. Er konnte sich wirklich grandios aufregen, mein Freund Marc Covet. Nach seinen Kenntnissen über einen Italiener namens Flavio Petazzi würde ich ihn ein anderes Mal fragen.

3
    Von meiner Wohnung zum Hotel Ambassador kann man laufen, wenn man einigermaßen gut zu Fuß ist. Oder man fährt mit dem Rad, einem Rennrad zum Beispiel. Man kann aber auch mit einer alten, klapprigen Mühle vorfahren, die man einst vor dem sicheren Sperrmülltod bewahrt hat, kann das rostige Ding hübsch über den roten Empfangsteppich rollen lassen, um es zuletzt an die spiegelglatte Marmorverkleidung des Hotels zu lehnen. Absperren muss man es nicht, denn die Studenten, die sonst alles mitnehmen, was zwei Räder hat, machen um das Hotel Ambassador einen großen Bogen. Zufrieden mit mir und der Welt, erklomm ich die Stufen zum Eingang.
    Dann stand ich in der Halle. Es war eine kühle und dämmrige Halle, Marmor auch hier, und sie war verdammt groß. Groß und hoch, um exakt zu sein, man hätte Basketball spielen können. An den Säulen rechts und links stellte ich mir zwei Körbe vor, machte im Vorbeigehen ein Dunking, klatschte Dirk Nowitzki ab, dann stand ich vor der Rezeption.
    »Guten Tag.« Der Empfangschef, Marke deutsche Eiche. Knorrig und kerzengerade. Als er mich ansah, regte sich kein Blättchen.
    »Ich möchte zu Herrn Petazzi. Er erwartet mich. Max Koller mein Name.«
    »Maiglöckchen-Suite. Dritter Stock.«
    »Danke.« Ich nickte dem Prachtkerl zu und ging zum Aufzug. Der schwebte gerade aus luftiger Höhe herab, ein Gong ertönte, und hinter den zurückweichenden Türen kam mein Paparazzofreund zum Vorschein. Rasch formte ich mit Daumen und Zeigefingern beider Hände ein Rechteck und hielt es vor ein Auge.
    »Klick!«, machte ich. »Den Blitz müssen Sie sich dazudenken.«
    Nerius grinste schwach. »Schön, dass Sie pünktlich sind. Steigen Sie ein!«
    »Schön, dass ich überhaupt da bin, meinen Sie wohl. Was ich alles an Terminen absagen musste!« Nerius drückte auf die Taste für den dritten Stock. Während sich der Lift mit einem tiefen Seufzer in Bewegung setzte, brabbelte ich weiter: »Erst mein Steuerberater, und der war schon auf dem Weg von München hierher. Dann der Fall mit der Millionärserbin, die vergessen hat, wo ihr Cadillac geparkt war. Und der Oberbürgermeister war auch nicht gerade amused, als ich ihm sagte, sorry, Eckart, vielleicht nächste Woche.«
    Diesen Unsinn nahm der junge Bartträger mit einem Schmunzeln zur Kenntnis, und irgendwie hatte ich den Eindruck, es sei sogar echt. Vielleicht hegte er eine heimliche Sympathie für Quasselstrippen wie mich. »Sie sind wach«, sagte er. »Freut mich.«
    »Und rasiert. Was nicht jeder von sich behaupten kann.«
    Da verfinsterte sich sein Blick ein wenig. Wir waren angekommen, der Lift spie uns aus. Lange Flure gähnten, alle paar Meter gab es Sitzecken und Fensternischen und Palmen und Aquarelle. Jedes Bild zeigte ein anderes Motiv in einer anderen Maltechnik, damit für jeden Gast etwas dabei war. Sollte sich keiner fremd fühlen. Vor einer zweiflügeligen Tür blieben wir stehen, Nerius klingelte.
    »Maiglöckchen sind giftig«, sagte ich. »Eigentlich sollte man eine Suite nicht so nennen. Erinnern Sie sich an den Bärlauchmörder von Heidelberg? Der nahm natürlich keinen Bärlauch, sondern …«
    »Nachher«, unterbrach er mich und

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