Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
ein Stück Kuchen im Reichenhaller Flugplatzrestaurant, danach Rückflug nach Oberwiesenfeld. Solche Flüge dienten der Aufrechterhaltung der Lizenz. Alle zwei Jahre musste man eine Fliegerärztliche Untersuchung bestehen und neben mindestens dreißig Starts und Landungen auf dem Heimatplatz
eine bestimmte Anzahl von Flugstunden mit Außenlandungen nachweisen. »Stundensammeln« nannte man das.
Vater und Sohn rollten zum Start. Thomas hatte als Flugbeobachter die Aufgabe, das Fenster der Flugleitung zu beobachten und zu melden, wann das grüne Signallicht den Start frei gab. Los ging’s. Dicht über die Produktionshallen von BMW, bei hundert Meter Höhe zwanzig Grad Schleife nach Backbord, dann Kurs Süden, Richtung Alpenkette, teils schneebedeckt. Aus dieser Höhe trotz Dunst gut zu sehen. Als Privatpilot, nach Sichtflugregeln unterwegs, ist man ganz froh, wenn man das Ziel vor Augen hat, also keine umständlichen Bemühungen mit der Navigationskarte auf dem Schoß.
Thomas war jetzt für die Beobachtung des Luftraumes verantwortlich. Damals flog man ziemlich frei in der Gegend herum, hatte lediglich Abflugzeit, Zielort und vermutliche Ankunftszeit anzugeben, für den Fall, dass...
Nichts Übles ahnend, freuten wir uns über die Schönheit der Alpenkette. Plötzlich wurde Thommys Blick starr, die Augen weit geöffnet, sein Zeigefinger deutete nach vorn, und schon geriet unsere kleine »Swift« für ein paar Sekunden aus der Kontrolle. Einen Augenblick lang wirbelten uns die heftigen
Turbulenzen des Strahltriebwerkes eines Starfighters durcheinander. Mit an die 900 Stundenkilometer donnerte der in geringem Abstand an uns vorbei. Schon im Endanflug auf den Platz Reichenhall, mit reduzierter Drehzahl und halb ausgefahrenen Landeklappen, war die »Swift« in einer unstabilen Fluglage. Es war wie im Schnellgang einer Waschmaschine. Geschüttelt und gerüttelt. Was nicht fest verstaut oder in Fächern verschlossen war, flog uns um die Ohren. Dazu kam, dass der Anflug auf die Reichenhaller Landebahn durch einen Baum erschwert wurde, um den man herumkurven musste, bevor man auf die korrekte Landerichtung einschwenken konnte.
Unter normalen Umständen kein Problem, bei Piloten eher eine beliebte Abwechslung in den sonst immer gleichen Landebedingungen.
Wenn ich mich recht erinnere, war die Landung etwas holprig, danach rollten wir auf das Gebäude mit dem großen, weißen »C« zu, Sitz der gestrengen Flugleitung. Dorthin wollte ich, und zwar so schnell wie möglich, um die Leute dort höflich zu fragen, was ein verrückt gewordener Starfighter im Tiefflug im Anflugbereich eines Flugplatzes zu suchen hat!
Motor abstellen, Brandhahn schließen, auch alle anderen Instrumentenwerte auf Null. Normalerweise steigt man jetzt aus. Ich blieb sitzen! Thommy guckte
mich fragend von der Seite an. Er hat zwar nie was gesagt, aber ich bin sicher, er hat bemerkt, dass ich am ganzen Leib zitterte wie Espenlaub. Die Flugkarte, noch immer auf meinem Schoß, wollte ich zusammenfalten, es ging nicht. Er übernahm das.
Danach ging alles relativ schnell, aber gänzlich anders als erwartet. Statt meinerseits in der Flugleitung Dampf abzulassen, kam uns von dort schon jemand entgegengelaufen.
»Bevor Sie zu uns reinkommen, verankern Sie Ihre Maschine am Boden, wir haben Sturmwarnung. Es kann jeden Augenblick losgehen!«
Jetzt erst sahen wir, wie rings um uns herum fieberhaft gearbeitet wurde. Tragflächen und Fahrgestelle wurden mit fingerdicken Seilen abgespannt und mit am Boden einbetonierten Ösen verankert. Wenn so ein Föhnsturm unter die Flächen greift, kann er kleinere Flugzeuge leicht vom Boden heben und »auf’s Kreuz legen«.
Kaffee und Kuchen waren vergessen, ein am falschen Ort zu tief fliegender Starfighter auch. Jetzt war nur eins wichtig: Bleiben wir da, unbestimmt für wie lang, oder hauen wir sofort wieder ab?
»Der Platz wird gleich gesperrt«, sagte der Mann, »wenn Sie sofort starten, kann ich Ihnen die Erlaubnis noch geben.«
»Danke, wir rollen zum Start!«
Es war wirklich die letzte Minute. Dann brach die Hölle los. Sturm und vorhangdichter Regen aus tief liegenden Wolken brachten die Sichtbedingungen auf beinahe Null. Da blieb nur eins: So tief wie möglich, immer in Sichtweite der Autobahn Salzburg - München nach, bis die roten Warnlichter der Funktürme in Holzkirchen auftauchten. Von da ab wusste man, mit welchem Kurs man heimkommen würde, heim nach Oberwiesenfeld.
Schon vor der Landung war ich zu
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