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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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trinke, muss eiskalt sein, egal, was es ist.
    Wie auch immer, über allem lag Dankbarkeit, dass der »Boandlkramer« mit seiner Liste am Klinikum Großhadern vorbeigefahren war. Ich stand eben noch nicht drauf.
    Damit hätte es ja genug sein können. Oder? Jeder weiß, nach so einer Geschichte springt man nicht gleich wieder wie Rumpelstilzchen im Wald herum. Erst eine Woche auf der Intensivstation. Da ging’s einigen viel schlechter als mir, dann in ein viel zu kleines Zimmer irgendwo im Kellergeschoss, die Franzosen sagen wenigstens noch Souterrain dazu. Wenigstens hörte ich hier die entsetzlichen Hustenanfälle meiner Patientenkollegen nicht mehr, wenn sie ihre schleimverklebten Lungen abhusteten. Ich sage dir, da machst du was mit, da alterst du in einer Woche um Jahre.
    Nichts wie weg hier! Irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass man mich ganz gerne losgeworden wäre.
    Es wurde beschlossen, mich, sobald es mein Zustand erlaubt, in das Klinikum Harlaching zu überführen.
     
    Die Ärzte dort machten lange Gesichter. Infektion des Brustraumes. Wo hab ich mir die eingehandelt? Na, wo wohl? Da gab’s doch gar keinen Zweifel!

    Doch, es gab ihn. Die Chefs der beiden Krankenanstalten trugen ihn auf den Seiten der Zeitungen aus. Resultat: Zurück ins »Fernheizwerk« Großhadern. Zweite Operation, Intensivstation.
    »Diesmal lassen wir Sie erst wieder raus, wenn Sie wirklich ›okay‹ sind.«
    Ich wurde es aber nicht. Einer der Ärzte hielt mich für ein »Weichei«, einen »Jammerlappen«, weil ich ständig über Schmerzen klagte. »Na, dann werde ich Ihnen jetzt wirklich mal wehtun...«, sagte er mit einem Augenzwinkern bei der Visite und stützte sich heftig auf meinen Brustkorb.
    »Ach du Scheiße...«, war sein wenig akademischer Kommentar.
    »Was heißt das?«, wollte ich wissen.
    »Das heißt, dass ich Sie heute Nachmittag wieder aufmachen muss. Die Verdrahtung um Ihr Brustbein hat sich gelöst! Klar, dass Sie Schmerzen haben!«
    Wie tröstlich!
    Mit dem Rest will ich Sie nicht langweilen. Nach Wochen in der wundervollen Reha-Klinik »Lauterbacher Mühle«, an den oberbayerischen Osterseen, war ich endlich wieder auf den Beinen.
     
    Ob einen so eine markante Auszeit verändert? Sicher!

    Du kommst in den unendlich langen Nächten unweigerlich ins Grübeln. Erstaunlich, was einem da so alles durch den Kopf geht. Dinge, über die du mit niemanden redest, nicht mit deiner Frau, nicht mit deinem Sohn, nicht mit den Ärzten. Gedanken, mit denen du dich nur allein herumschlagen willst.
    Stimmt die Philosophie noch, die du dir ein Leben lang zusammengedacht hast? Kehre ich zum Glauben an Gott zurück, um vielleicht doch alles etwas leichter zu machen? Oder bleibe ich weiter bei meinem erklärten Agnostizismus, der Verweigerung der Anerkennung des übersinnlichen Seins?
    Bin ich ein Produkt der Schöpfung? Oder das Ergebnis der Evolution auf unserer Erde in Milliarden von Jahren?
    Gerade habe ich wieder so eine Phase überlebt. Im Dezember 2009 musste ich notgedrungen die Arbeit an diesem Buch vorübergehend einstellen.
    Ohne jede Vorankündigung, durch eine Grippe vielleicht, möglicherweise eine Lungenentzündung, keine Ahnung: Auf jeden Fall fühlte ich mich von Tag zu Tag miserabler. Keine Konzentration mehr, Appetitlosigkeit, Balancestörungen, Atemnot, rapide Gewichtsabnahme, genug, um den Computer abzuschalten. Ein Gefühl, als ob irgendwo im Körper ein Loch war, aus dem die Kraft zu fließen schien.

    Ich schreibe das nicht, um Ihr Mitleid zu erregen, sondern um zu schildern, wie schnell und unvorbereitet es einen erwischen kann. Und kein Doktor kann dir sagen, was es ist. Ohnehin ein Phänomen: Frag zehn verschiedene Ärzte, und du bekommst zehn verschiedene Diagnosen.
    Ähnlich war es auch diesmal.
    »Virusinfektion« war die Diagnose, auf die sich alle einigten, nachdem die Schweinegrippe ausgeschlossen werden konnte. Mit dieser Virusinfektion landete ich in der Intensivstation eines nahe gelegenen Krankenhauses. Allzu viel habe ich nicht mehr mitbekommen. Erst später erzählte meine Frau, dass die Familie darauf vorbereitet wurde, mit dem Schlimmsten zu rechnen.
    Da waren sie wieder, die Gedanken, die du eigentlich mit dir allein abmachen möchtest. Wie geht es weiter? Was wäre wenn...? Ob du willst oder nicht, du musst mit deinen engsten Vertrauten darüber reden.
    »Ich will davon nichts hören«, sagte Gundel, »du lebst und das ist die Hauptsache!«
    »Diesmal war’s eng, wir müssen

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