Alvion - Vorzeichen (German Edition)
fünfhundert mal fünfhundert Schritt maß, noch Getreide angebaut werden, denn die Zitadelle war bewusst auf kleiner Fläche errichtet und stattdessen nach oben ausgebaut worden, da sie in Friedenszeiten ohnehin nicht genutzt wurde. Sie selbst bestand aus dem Hauptgebäude, welches von vier Türmen umgeben wurde, dazu einem kleinen Hof, der an der letzten Mauer endete, auf der nochmals vier Türme in die Höhe ragten. Sie war ganz aus weißem Marmor und schimmerte stets in einem erhabenen Ton, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Darum herum waren die Anbauflächen, die sternförmig von Wegen durchzogen wurden und noch einmal zu einer Mauer führten. Unterhalb und auf den Mauern standen Katapulte und Schleudern, neben ihnen standen Brennöfen, sowie Vorräte an Wurfgeschossen.
Als Tian sich innerhalb der Festung befand, hatte er das erste Mal wirklich verstanden, warum in seinen Schulbüchern die Festung immer als der Stolz des alten Argion beschrieben wurde, denn sie war tatsächlich uneinnehmbar. Sie war ein Meisterwerk der Baukunst, ein Wunder, das in ganz Velia seinesgleichen suchte. Dies musste wohl auch den Anführern der meridianischen Streitmacht schnell klar geworden sein, als sie auf ihrem Weg durch die Stadt an der Festung anlangten, denn zum ersten Mal kamen Unterhändler und versuchten mit den Argion zu verhandeln. Die Verhandlungen gestalteten sich zunächst schwierig und langwierig, weil sich die Argion ja in ihrem Berg eingeschlossen hatten und die ersten ansprechbaren Krieger fünfzig Schritt über den Köpfen der Unterhändler waren. Schließlich wurden schriftliche Nachrichten über ein langes Seil ausgetauscht. Natürlich war die Forderung, sich zu ergeben, abgelehnt worden. Der König hatte gelacht und das Papier des Unterhändlers schließlich achtlos in den Wind geworfen, doch in den Wochen danach war allen Verteidigern in der Festung das Lachen vergangen, als sie machtlos mit ansehen mussten, wie die wütenden Horden ihrer Feinde, ihre Hauptstadt dem Erdboden gleich machten. Auch der wütende, aber ungezielte, Beschuss durch Schleudern und Katapulte änderte nichts daran, auch wenn sie anfangs große Lücken in die nach Plünderung gierende Masse der feindlichen Soldaten rissen. Dennoch war tagelang beißender Brandgeruch himmelwärts gestiegen und ein Haus nach dem anderen eingestürzt oder niedergerissen worden. Viele Argion hatten bei diesem Anblick Tränen in den Augen, vor allem in den Momenten, als die prächtigen Standbilder der Könige unter dem Jubel ihrer Feinde zu Boden stürzten. Aber der schützende Schild der Magier hielt allen Angriffen der meridianischen Magier stand und ein paar Versuche, irgendwie an die Festung heranzustürmen, wurden von den Argion mit Leichtigkeit abgewehrt. Zudem hatten die Magier natürlich mittlerweile von der verheerenden Niederlage Meridias vor Perlia berichtet und damit wieder etwas Zuversicht und Hoffnung unter den Verteidigern wecken können.
Einen Monat später aber war nicht mehr viel davon übrig. Tian starrte aus hundert Schritt Höhe mit leerem Blick auf das unter ihm liegende Trümmerfeld und fühlte sich, wie schon in den Tagen zuvor, mehr und mehr wie ein Gefangener. Es war der zweiundzwanzigste Tag des Lamis und es war nicht absehbar, wann er jemals wieder aus diesem Fels herauskommen würde.
Das Ende kam sehr überraschend und plötzlich, denn nichts hatte darauf hingedeutet. Im Gegenteil, sie hatten schon seit Tagen beobachtet, dass der Großteil der feindlichen Armee abgezogen wurde. Endlose Kolonnen waren in Richtung Süden abmarschiert und hatten lediglich eine kleine Streitmacht zurückgelassen, die weiterhin die Blockade der Festung aufrechterhielt. An einen Ausfall war zwar immer noch nicht zu denken, weil der Feind trotz allem noch eine erhebliche Überzahl gegenüber den Verteidigern aufwies, doch allmählich machte sich unter den Argion eine gewisse Hoffnung breit, dass sie nur auszuhalten brauchten, bis entweder die Argion in den Wäldern des Landes wiedererstarkt und gerüstet waren, um die Festung zu befreien oder Hilfe aus Solien kam. Niemand wagte daran zu denken, dass sie womöglich auf beides vergeblich warten würden. Eine gewisse Routine kehrte unter den Belagerten ein, da sich jeder damit abgefunden hatte, einfach warten zu müssen. Schon zu Beginn der Belagerung waren die Angriffe auf die Festung schnell eingestellt worden, da erkennbar war, dass sie mit normalen Mitteln nicht zu bezwingen war. Die Magier
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