Am Anfang eines neuen Tages
werden sie uns schon gar nicht geben.“
Alexander beugte sich vor und küsste sie noch einmal. „Ich werde einen Weg finden. Vertrau mir, Josephine. Und vertrau auf Gott.“
Er stand auf, umfasste ihre Hände und zog sie auf die Füße. Ihre Beine fühlten sich von der verkrampften Position ganz steif an und ihre Muskeln waren vom Laufen erschöpft. „Warte. Sollten wir uns nicht noch etwas länger versteckt halten? Was ist, wenn sie dich immer noch suchen?“ Er führte sie aus dem Kirchenraum und zurück durch die Sakristei. „Wohin gehen wir?“
„Ich sorge dafür, dass du sicher nach Hause kommst.“
„Nein, warte!“ Sie schob sich vor die Tür und versperrte ihm den Weg, bevor er sie öffnen konnte. „Ich finde alleine nach Hause, aber dich dürfen sie auf keinen Fall sehen. Es ist immer noch zu gefährlich.“
„Ich werde dich nicht allein lassen, Josephine. Ich muss mich vergewissern, dass du in Sicherheit bist.“ Er hob die Hand und strich ihr über Haar und Wange.
„Gott hat mich heute sicher hierher gebracht. Du kannst dich darauf verlassen, dass er mich auch wieder nach Hause bringt.“ In diesem Moment wusste Josephine, was sie tun musste. „Wo ist dein Pferd?“
„Im Mietstall.“
„Reite nach Richmond – so schnell du kannst. Und komm nicht wieder, es sei denn, du hast ein Bataillon Soldaten dabei. Bewaffnete Soldaten. Wenn du ohne Schutz zurückkommst, werden diese Männer dich töten. Beim nächsten Mal wird es ihnen gelingen.“
„Aber du –“
„Ich werde sie ablenken.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, küsste ihn ein letztes Mal und kam so seinem Protest zuvor. Im selben Augenblick griff sie hinter sich und öffnete die Tür. „Auf Wiedersehen, Alexander.“
„Nein, warte –!“
Doch bevor er sie aufhalten konnte, rannte Josephine bereits los. Sie stürmte auf die andere Seite des Dorfplatzes zu der Alarmglocke. Hinter ihr wurde der Nachthimmel über dem Bahnhof von einem orangefarbenen Feuerschein erleuchtet und die heiße Luft war voller Rauch. Sie packte das Glockenseil und zog daran, so fest sie konnte, um die Stadtbewohner zu wecken. Das Feuer war höchstwahrscheinlich zu weit fortgeschritten, um das Gebäude zu retten, aber Alexander könnte während der allgemeinen Aufregung zu seinem Pferd laufen und davonreiten.
Jo sah, dass in mehreren Häusern Lichter angingen, während sie die Glocke läutete. Hunde bellten und jaulten. Männer kamen aus ihren Häusern gerannt und zogen im Laufen ihre Jacken an, während sie nach dem Feuer Ausschau hielten. Keiner der Leute machte sich etwas daraus, wenn das Amt für Freigelassene niederbrannte, aber sie würden nicht zulassen, dass der Bahnhof in Flammen aufging.
Ihre Arme wurden müde und sie hielt einen Moment lang inne. In der vorübergehenden Stille hörte sie irgendwo im Dunkeln ein Pferd galoppieren und sie betete, dass es Alexander war, der die Flucht ergriff. Aber das Geräusch der Hufe kam näher, und als sie in die Finsternis spähte, sah sie ein dunkles Pferd und einen maskierten Reiter genau auf sich zukommen. Panisch ließ sie das Glockenseil los und rannte in die entgegengesetzte Richtung zum Mietstall davon. Wohin sollte sie fliehen? Wo könnte sie sich verstecken? Dr. Hunters Haus war in der Nähe. Sie würde zu ihm laufen und ihn um Hilfe anflehen. Aber das Pferd holte sie mühelos ein, bevor sie dorthin gelangen konnte.
„Josephine! Bleib stehen, Josephine!“ Obwohl sie durch die Maskierung gedämpft klang, erkannte sie Daniels Stimme.
Verzweifelt rannte Jo weiter und versuchte, sich in Sicherheit zu bringen. Als sie einen Blick über ihre Schulter warf, sah sie, dass Daniel abgestiegen war und ihr zu Fuß folgte. Ihr bauschiger Rock hinderte sie am schnellen Fortkommen und so hatte Daniel sie schnell eingeholt und packte sie am Arm. „Lass mich los!“, schrie sie. „Lass mich in Ruhe!“
Daniel hielt ihr den Mund zu. „Still! Hör auf dich zu wehren!“ Er zerrte sie und sein Pferd in den Schatten neben einem Kutschhaus. Inzwischen waren sämtliche Bewohner der Stadt auf den Beinen und liefen auf das Feuer zu. Es herrschte ein unglaublicher Lärm. Selbst wenn sie hätte schreien können, hätte niemand sie gehört.
„Du hast ihn gewarnt, nicht wahr?“, sagte Daniel und schüttelte sie. Er hielt sie immer noch mit festem Griff, zog aber langsam die Hand von ihrem Mund weg, als wollte er ausprobieren, ob sie schreien würde. „Du schamloses Mädchen! Du hilfst unserem Feind.
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