Am Anfang war der Seitensprung
hatten den Erlös meiner Verkaufsaktion endgültig aufgefressen.
Ich sah keinen anderen Weg, als Friedrich um Geld zu bitten. Der nutzte die Gelegenheit, mir einen reinzuwürgen.
» Ich soll dir Geld geben? Ich denke ja gar nicht daran.
Erst zahlst du die viertausend Mark zurück, die ich Doro für ihre versaute Einrichtung geben mußte.«
Ich zerbrach mir den Kopf, wie ich an Geld kommen könnte, aber außer Raub, Erpressung und Glücksspiel fiel mir nichts ein.
Meine Suche nach einem Sprecherjob war erfolglos geblieben, auch ein paar andere halbherzige Bewerbungen hatten nichts ergeben. Es war mir einfach nicht gelungen, glaubwürdig rüberzubringen, daß ich als Fahrradbotin arbeiten wollte. Und der Aushilfsjob in einer Blumenhandlung scheiterte daran, daß ich Chrysanthemen nicht von Astern unterscheiden konnte.
Als ich kurz davor war, meinen netten Kollegen bei der Bank um einen weiteren persönlichen Kleinkredit zu bitten (obwohl ich die Zinsen für den alten schon länger nicht mehr bezahlt hatte), erhielt ich einen Anruf.
»Hier Wüster, Radio Süd«, tönte es eines Tages aus dem Telefon.
Das war ja eine Überraschung. Ich hatte meinen zweifelhaften Erfolg als Ansagerin schon fast verdrängt.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, daß der Spot gut angekommen ist. Hätten Sie nicht Lust, an einem unserer Moderatoren-Trainings teilzunehmen?«
Das war zwar schmeichelhaft, klang aber nicht gerade nach Geldverdienen. Womöglich kostete so ein Training sogar was. Außerdem hatte ich das Gefühl, daß ich nicht zur Moderatorin geboren war. Ich hatte ja kaum die paar Sätze für den Spot rausgekriegt.
»Ich glaube, im Moment habe ich keine Zeit«, wehrte ich ab.
»Das ist aber schade, Sie haben wirklich eine gute Stimme. Außerdem muß es ja nicht gleich sein. Wollen Sie nicht wenigstens unseren Programmdirektor, Herrn Bammer, kennenlernen?«
Ich konnte mir nicht vorstellen, welche magischen Überzeugungskräfte sie Herrn Bammer zutraute, aber da ich auch nicht unhöflich sein wollte, ließ ich mir einen Termin geben.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, strahlte Herr Bammer, ein drahtiger Typ mit kugelrundem Kopf und angehender Platte. »Sie haben da einen sehr hübschen Spot gesprochen, Ihre Stimme ist gut. Was haben Sie denn bisher so gemacht?«
Ich erzählte Herrn Bammer von den beruflichen Stationen meines Lebens und versuchte, den Eindruck zu erwecken, nicht nur gescheitert zu sein, was ziemlich schwierig war.
»Also eine Frau mit Lebenserfahrung«, faßte er gnädig zusammen und zwinkerte mir zu.
Ich versuchte angestrengt, mein rechtes Bein zu verstecken. Eine Sekunde, bevor ich in das Büro getreten war, hatte ich nämlich eine Laufmasche entdeckt, die sich breit und unübersehbar wie eine helle Schneise durch das schwarze Gewebe zog.
»Also, wie sieht’s aus, haben Sie Lust, ein Moderatoren-Training mitzumachen?« erkundigte sich Herr Bammer.
»Ich bin … ich kann das sicher nicht. Ich habe so was noch nie gemacht«, sagte ich und wickelte meine Wade um das Stuhlbein.
»Aber Sie haben wirklich eine gute Stimme. Wenn man Sie sprechen hört, kriegt man Lust, Ihnen sein ganzes Leben zu erzählen. Solche Leute brauchen wir beim Radio«, sagte Herr Bammer und folgte meinem Bein mit den Augen.
Wer hatte so was zuletzt gesagt?
Benno. Benno Hinterseer. Angeekelt schob ich die Erinnerung weg.
»Nein, ich glaube nicht, daß ich das kann«, sagte ich noch mal.
Herr Bammer hob den Blick von meinem Bein und sah mich überrascht an.
»Ja, aber warum haben Sie uns dann Ihre Kassette geschickt?«
»Ich wollte eigentlich Kindergeschichten vorlesen«, erklärte ich resigniert.
»Dann liegt wohl ein Mißverständnis vor«, bedauerte Herr Bammer und reichte mir die Hand.
Ich schraubte mich aus meinem Stuhl und ging schnell zur Tür. Als ich draußen war, lief ich Frau Wüster in die Arme.
»Und?« fragte sie und sah mich erwartungsvoll an, ob der magische Herr Bammer mich rumgekriegt hatte.
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist wirklich nichts für mich, vielen Dank.«
»Schade«, meinte sie, »Sie haben so eine tolle Stimme.«
»Bist du wahnsinnig?« Rilke sah mich ungläubig an.
»Die bieten dir eine Sprecherausbildung an, und du lehnst ab?«
Wir lagen gemeinsam in der Badewanne. Rilke baute Skulpturen aus Schaum, und ich nuckelte an einem Milchshake. Zwischendurch erzählten wir uns, was in den letzten Tagen so los gewesen war.
Ich nickte beschämt. »Ich hab für die paar Sätze neulich schon
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