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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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kommen, aber es hängt vom Bus ab.»
    «Und wann sind Sie gegangen?»
    «Kurz vor drei, Sir, vielleicht schon um Viertel vor.»
    «Sind Sie sicher? Überlegen Sie’s nochmal genau. Es ist wichtig.» Man musste mit der Art Frauen streng umgehen, wenn man etwas genau wissen wollte.
    «Ja, Sir. Ich fahre am liebsten mit dem Drei-Uhr-Bus von der Ecke ab, darum gehe ich immer ein paar Minuten vor drei hier weg. Sonst muss ich nämlich fast eine halbe Stunde warten. Sie wissen ja, wie unregelmäßig die Busse fahren.»
    «Ja, ja. Und Sie haben den Drei-Uhr-Bus bekommen?»
    «Ja, Sir.»
    «Gut. Was haben Sie hier in der Wohnung gemacht?»
    Sie sah ihn etwas erstaunt an. «Wieso? Ich putze hier und wische Staub, ich poliere die Möbel, ich mache das Bett und räume im Bad auf. Ich mache die ganze Wohnung.»
    «Räumen Sie auch die Kommodenschubladen auf?»
    «Nein, Sir!» Sie war beleidigt. «Ich mache keine Schublade auf, und das kann mir keiner vorwerfen. Professor Hendryx hat mir gesagt, ich soll die Schubladen in Ruhe lassen und nichts auf dem Schreibtisch anrühren. Daran hab ich mich gehalten. Ich nehm höchstens mal die Bürsten und den Kamm von der Kommode, damit ich Staub wischen kann.»
    «Schön, Mrs. O’Rourke, ich hab ja auch nur gefragt. Sie haben die Wohnung also genauso zurückgelassen, wie sie jetzt ist?»
    «Aber nein», protestierte sie. «Ich würd doch keine Asche und Streichhölzer im Aschenbecher lassen. Und das Buch hätte ich fortgelegt. Aber das hab ich nicht, weil da keins rumlag.» Sie sah sich um. «Den Hocker da stell ich auch immer vor den Fernseher, denn da, wo er jetzt steht, wär er mir im Weg.»
    «Einen Moment. Sagen Sie damit, dass jemand hier war, nachdem Sie fortgegangen sind?»
    «Nein, nur Professor Hendryx. Der ist immer zwischen der Schule und der Wohnung hin- und hergependelt.» Sie seufzte. «Wär er doch hier geblieben, dann lebte der arme Herr heute noch. Ist es nicht schrecklich, was die Studenten heutzutage treiben?»

26
    Sie waren ungewöhnlich leise und zahm, als er am Mittwochmorgen in den Hörsaal kam. Die, die am Freitag da gewesen waren, mussten den Übrigen erzählt haben, was sich ereignet hatte. Oder war es nur ihre Reaktion auf die Explosion?
    Während der Fahrt von Barnard’s Crossing hatte Rabbi Small mit seinem Gewissen gerungen. Er hatte seine Studenten nicht mehr gesehen, seit er aus dem Zimmer gelaufen war. Sollte er einfach fortfahren, als sei nichts geschehen, oder sollte er sich entschuldigen? Sicher, ihr Benehmen war unter aller Kritik gewesen, andererseits aber, das sah er nun ein, hatten sie keine persönliche Kränkung beabsichtigt. Ganz im Gegenteil: Offensichtlich glaubten sie, etwas Gutes und Anständiges zu tun. Aber warum hatten sie es nicht erklärt? Und warum hatte er nicht gefragt? Aber sie waren die Jüngeren und schuldeten ihrem Lehrer Respekt. Aber er war älter und hätte einsichtsvoller sein müssen. Aber sie hätten sich klarmachen müssen … Nein, er hätte sich klarmachen müssen …
    «Denen, die am letzten Freitag nicht hier waren», begann er, «möchte ich mitteilen, dass die Vorlesung ausgefallen ist. Bei denen, die hier waren, möchte ich mich entschuldigen, dass ich den Raum verlassen habe. Mir war zu der Zeit der Grund nicht bekannt, warum sich einige der Anwesenden so seltsam betragen haben. Ich habe das erst nachträglich erfahren und entschuldige mich jetzt dafür, mich nicht bei Ihnen erkundigt zu haben.» Er wollte weitersprechen, als Mazelman die Hand hob. «Ja?»
    «Ich möchte fragen, ob Sie es für richtig halten, dass wir – ich war einer davon – uns auf den Fußboden gesetzt haben?»
    Er erwiderte, er habe gerade erklärt, nun den Grund zu kennen.
    «Nein, ich meine es anders. Gehört es nicht zum Judentum? Ist es nicht Sache der Juden, gegen Ungerechtigkeit zu protestieren?»
    «Das ist Sache eines jeden», sagte der Rabbi vorsichtig. «Das ist kein Monopol der Juden. Aber sind Sie denn sicher, dass eine Ungerechtigkeit geschehen ist? Meines Wissens sind die Stühle aus dem Aufenthaltsraum der Haftanstalt quasi als Schutzmaßnahme entfernt worden, weil sie bei einem früheren Aufruhr als Waffen verwendet wurden.»
    «Ja, schon, aber nicht alle Jungen haben sich am Aufruhr beteiligt, aber auf dem Fußboden sitzen mussten sie alle», stellte einer der Studenten fest.
    «Und Präsident Macomber hat zugegeben, im Unrecht zu sein», rief ein anderer.
    «Ich habe seine Darstellung gelesen», erklärte der Rabbi

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