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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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er da ist. Bei ihnen ist das anders als bei uns. Es gibt eine Menge Leute, die Father Aherne nicht leiden können, aber keiner würde dran denken, ihn loswerden zu wollen. Sie wüssten nicht mal, wie man so was anfängt. Das liegt daran, dass er vom Erzbischof eingesetzt ist, und wir dabei nichts zu sagen haben. Bei ihnen ist das so: sie stellen den Rabbiner an und können ihn daher auch rauswerfen. Aber ich sag dir was, Gladys, bei aller Sanftheit ist David Small ein hart gesottener Bursche. Und er bleibt hier, solange er will. Den gibt’s einfach nicht, der ihn rausdrängt.» Er setzte sein Glas ab. «Aber ich könnte morgen mal bei ihm reinschauen.»
    «Oh, das würde ich nicht tun», sagte sie schnell.
    «Warum nicht?»
    «Weil sie nämlich der Meinung sind, der Rabbi habe seine Anschuldigungen gegen Fine nur an den Mann bringen können, weil er mit dir befreundet ist.»
    Er starrte sie in zornigem Nichtbegreifen an.
    44
    Obwohl es Sabbat war, die Zeit der Ruhe und Erholung, der stillen Freude, in der weltliche Gedanken aus dem Geist des frommen Juden verbannt sein sollten, war der Rabbi schon den ganzen Tag lang abgelenkt und hatte kaum ein Wort mit Miriam gesprochen. Und nun, am frühen Abend, nachdem der Sabbat vorbei war, ging er ins Wohnzimmer und war bald in einem Buch versunken.
    «Glaubst du, dass er es getan hat?», fragte Miriam aufgebracht. «Roger Fine. Glaubst du, dass er es war?»
    Er zog die Schultern hoch. «Woher soll ich das wissen?» Dann wandte er sich wieder dem Buch zu.
    «Ja, willst du denn nichts unternehmen?»
    Mit einem ungeduldigen Seufzer klappte er das Buch zu. «Was kann ich denn machen?»
    «Wenigstens kannst du ihn besuchen.»
    «Ich bin gar nicht sicher, ob das ratsam ist. Fine hat nicht nach mir verlangt, und seine Familie hat mich auch nicht aufgefordert. Hinzu kommt, dass sie nach den Unerfreulichkeiten vor der Hochzeit nicht darum bitten werden, schon gar nicht nach dem Vorfall von gestern Abend in der Synagoge. Wenn sie schon Gerüchte verbreiten, dass ich ihn angeklagt oder denunziert hätte, dann möchte ich nicht wissen, was sie daraus machen werden, wenn ich ihn jetzt auch noch im Gefängnis besuche.»
    «Früher hat es dir nie was ausgemacht, was die Leute dachten», stellte sie leise fest. «Du hast getan, was du für richtig hieltest, egal was die Leute dachten.»
    «Na, vielleicht bin ich jetzt etwas weiser», bemerkte er zynisch.
    Sie sah rasch auf. Das passte gar nicht zu ihm. Er fing ihren Blick auf und fand, dass er ihr eine Erklärung schuldig sei. «Ich bin nie ein rauschender Erfolg in Barnard’s Crossing gewesen. Anfangs dachte ich, es wäre die Schuld der Gemeinde, und wenn sie einmal umgestimmt wäre, würde alles gut werden. Jedes Mal, wenn es eine Krise gegeben hat – und praktisch ist es jedes Jahr, solange ich hier bin, zu einer gekommen – und sie endlich vorüber war, habe ich gedacht: Jetzt ist alles im Reinen, und ich kann endlich anfangen zu arbeiten. Aber dann kam die nächste Krise. Es war wie bei unserem ersten Auto, erinnerst du dich? Wir hatten Ärger mit der Zündung, und als wir die repariert hatten, dachten wir, jetzt wäre alles gut. Dann war die Benzinpumpe im Eimer. Also haben wir eine neue besorgt, und in weniger als einer Woche war’s der Auspufftopf. Danach war’s dann das Getriebe, und sie verlangten – wie viel – zweihundert Dollar? Dreihundert?»
    «Dreihundert haben wir für den Wagen bezahlt», sagte sie.
    «Jedes Mal, wenn was kaputtging, dachten wir, es wäre nur was Einmaliges, und wenn das repariert wäre, wäre alles in Ordnung. Aber bei einer Serie von Einzelfällen ist es nicht mehr einmalig. Dann herrscht Murphys Gesetz.»
    «Murphys Gesetz?»
    «Ja. Ich habe es zuerst kennen gelernt, als ich als Geistlicher bei der Army war. Murphys Gesetz besagt, dass ein Unfall oder eine Panne, die geschehen können, auch geschehen werden. Darum hab ich dann auch nach einiger Zeit angefangen zu denken, dass es vielleicht an mir und nicht an der Gemeinde läge.» Er lächelte reumütig. «Du kennst doch das alte talmudische Sprichwort: Wenn dir drei Leute sagen, du bist betrunken, geh nach Hause und leg dich hin.»
    «Du willst dich also hinlegen?»
    «Miriam, wenn du mich nicht mehr verstehst –»
    «Aber ich versuche es doch, David», sagte sie leidenschaftlich. «Ich versuche es wirklich.»
    «Weißt du, in den früheren Fällen, wenn es Krach gegeben hat, blieb mir immer das Gefühl, dass die Gemeinde mich respektierte.

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