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Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Titel: Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Mengel
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hätte viele Dinar verdienen können, wäre er frei von Moral gewesen. Doch Yunus weigerte sich, sein Geschick in den Dienst unlauterer Herren zu stellen. Lieber darbten er, seine Frau und seine fünf Kinder.
    Der nächtliche Besucher wollte Yunus für einen Auftrag gewinnen. Natürlich kannte er den tadellosen Ruf des Tagelöhners als unbescholtener Mann. Er selbst hingegen kannte keine Skrupel. Er klopfte an die Tür des Hauses. Es dauerte eine Weile, ehe sich im Inneren etwas rührte. Unruhig trat der Wartende von einem Fuß auf den anderen. Geduld gehörte nicht zu seinen Stärken.
    Endlich öffnete sich die Tür. „ As-salāmu ʿalaikum.“ Auf Yunus Gesicht lag ein wachsamer Ausdruck.
    Der Besucher nickte. Anstatt die traditionellen Worte des Gegengrußes: „Wa ʿalaikumu s-salām“ zu sprechen, kam er sogleich zum Thema. Yunus hörte zu. Zunächst wirkte er erstaunt, doch je länger der Fremde sprach, desto mehr verdüsterte sich seine Miene.
    Als der Besucher endete, sagte Yunus: „Mein Gewissen wiegt mehr als deine Dinar.“
    „Du wirst es bereuen, wenn du mein Angebot ablehnst.“ In der Stimme des Mannes lag ein drohender Unterton. „Wenn ich unverrichteter Dinge diese Straße verlasse, wird großes Übel über dich kommen.“ Etwas Bedrohliches ging von diesem Fremden aus. Und doch lehnte Yunus das Angebot ab, mehr noch, er verwies den Mann des Hauses.
    Das Gesicht des nächtlichen Besuchers verlor jede Farbe, Wut verzerrte seine Züge. „So sei es“, zischte er. „Sei bereit dein Schicksal zu tragen.“ Er kicherte, drehte sich um und ging den Weg zurück, den er gekommen war.

11.                Fragen über Fragen
     
    E in leises Klopfen riss Susanna aus den Träumen. Sie fuhr hoch. Kein Lichtstrahl drang durch die Vorhänge. Es musste mitten in der Nacht sein. Sie stieg aus dem Bett und ging barfuß zur Tür.
    „Wer ist da?“, flüsterte sie.
    „It’s me, Patrick.“
    Sie öffnete die Tür und ließ ihn ein.
    „Wenn Toni dich erwischt, sind wir dran.“
    „Es ist gerade mal fünf. Deine Cousine schläft tief und fest.“
    „Bist du sicher?“
    „Absolut. Die pennt. Das Schnarchen ist unüberhörbar.“ Patrick lachte. „Sag mal, ist dir nicht kalt?“
    Susanna sah an sich herab. Mist. Das T-Shirt, das sie trug, verdeckte kaum ihren Slip. Wie peinlich. Sie zog das Shirt nach vorn, um ihre nackten Beine zu verdecken. Dadurch rutschte es am Rücken nach oben. Umdrehen konnte sie sich nun nicht mehr, wollte sie Patrick nicht ihren Hintern in rosa Blümchenunterwäsche präsentieren.
    Als sie das Bett erreichte, atmete sie auf. Hastig zog sie die Decke über die Knie.
    „Endlich können wir in Ruhe reden, ohne von deiner Cousine ständig beobachtet zu werden.“
    „Ich weiß, ich habe eine echt peinliche Familie.“
    „Wem sagst du das?“ Patrick seufzte. „Bei Onkel Sam weiß ich auch nicht so recht. Was der da gestern erzählt hat, war schon eine wilde Geschichte.“
    Susanna zögerte. „Eigentlich glaube ich ihm“, sagte sie dann. Hoffentlich dachte Patrick jetzt nicht, sie wäre ebenfalls durchgeknallt.
    „Aber seine Story klingt doch völlig irre?“
    „Schon, aber …“ Sie berichtete, was sie von Herrn Moulin erfahren hatte. Außerdem erzählte sie ihm von dem Buch über Kis-Ba-Shahid. Mit nachdenklichem Gesichtsausdruck hörte Patrick zu. „Und?“, fragte Susanna, als sie geendet hatte.
    „ Maybe – möglicherweise hat Onkel Sam doch keinen Hau weg.“ Er brach ab und strich sich die Haare aus der Stirn. Dann blickte er Susanna in die Augen. „Es klingt aber schon reichlich schräg. Außerdem wüsste ich gern, was mein Onkel damit zu tun hat?“
    „Ich verstehe tausend andere Dinge nicht. Zum Beispiel warum die Flasche angefangen hat zu leuchten?“
    Sie diskutierten eine Weile, doch sie drehten sich im Kreis. Ohne Samuel kamen sie nicht weiter. Was nun? Unschlüssig saßen sie auf der Bettkante. Susannas Blick fiel auf die Uhr. Es war beinahe Sieben.
    „Du solltest besser zurückgehen, ehe Toni bemerkt, dass du abgehauen bist.“
    Patrick erhob sich. Susanna wollte ebenfalls aufstehen, schon hatte sie die Decke beiseitegeschoben, als sie sich an ihre nackten Beine erinnerte. Schnell zog sie die Decke wieder darüber.
    Als sie aufsah, schaute sie direkt in lachende Augen. Das Grinsen, das auf Patricks Gesicht lag, reichte von einem Ohr bis zum anderen.
    „Bis bald“, sagte er. Gleich darauf fiel die Tür mit einem leisen Klicken hinter ihm ins

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