Am Ende der Ewigkeit
Brunnen der Finsternis.
Aufgeregt herrschte Legroeder Captain Friedman und die Rigger der Impris an: »Was geht hier vor?«
Jamal und Poppy schüttelten den Kopf.
Einen Herzschlag später rauschte die schwarze Welle auf Legroeder zu. Ehe er ausweichen konnte, hatte sie ihn verschluckt.
*
Legroeder blinzelte verwirrt. Im Halbdunkel hockte er auf einem kalten Deck aus Metall. »Captain? Freem'n?« Keine Antwort. Als sich seine Augen an das schummrige Licht gewöhnten, merkte er, dass er sich nicht länger in dem Besprechungszimmer befand. Aber wo war er dann? Die Beleuchtung war schwach – Notleuchten oder Nachtlampen waren unten an den Wänden angebracht und verbreiteten einen diffusen Schein. Allmählich machte er Einzelheiten aus. Er steckte in einem Korridor. In der Ferne hörte er ein tickendes Geräusch, und einmal schien eine Tür zuzuklappen. »Hallo?«, rief er.
Nichts rührte sich.
(Was könnt ihr mir dazu sagen?) , befragte er seine Implantate.
◊ Wir registrieren eine Diskontinuität in sämtlichen Parametern. Unsere Chronometrie läuft ziemlich asynchron. ◊
(Mit anderen Worten, ihr habt keine Ahnung.)
◊ Bestätigt. ◊ Es klang beinahe bedauernd.
Ächzend rappelte Legroeder sich auf die Füße und spähte den Korridor entlang. Kein Zeichen wies darauf hin, an welchem Ort im Schiff er sich befand, also entschied er sich aufs Geratewohl für eine Richtung und marschierte drauflos. Bald gelangte er an eine Reihe von Türen, die ein blassblaues Licht abstrahlten. Hinter der Wand dröhnte ein permanenter Summton. Zwei Türen versuchte er zu öffnen, doch sie waren abgesperrt. Vermutlich handelte es sich um einen technischen Bereich, in dem Belüftungssysteme, hydroponische Anlagen oder sonst was untergebracht waren.
Mit wachsendem Unbehagen setzte er seinen Weg fort. War denn hier niemand? Er kam sich vor wie auf einem Gespensterschiff, auf dem es außer ihm keine lebende Seele gab.
Er atmete tief ein, legte die Hände trichterförmig an den Mund und brüllte durch den Korridor: »H ALLOOO ! I ST HIER J EMAND ?« Dann drehte er sich um und rief in die andere Richtung.
Eine Weile kam keine Antwort. Schließlich plärrte eine mechanisch verstärkte Stimme: »Legroeder, sind Sie das?«
Sein Herz fing an zu rasen. »Ja! Hierher!«
Ein gutes Stück den Korridor hinunter bog Deutsch um eine Ecke. Er bot einen unheimlichen Anblick, wie er mit träge blinkenden Schläfenimplantaten auf Legroeder zuschwebte. »Sind Sie in Ordnung?«, rief er.
»Alles klar!« Legroeder eilte seinem Freund entgegen. »Gott sei Dank. Ich dachte, ich sei der Einzige hier.« Er blieb stehen und drehte sich um. »Haben Sie eine Vorstellung, was passiert ist? Ich … ich wurde …« Er brach ab und schüttelte den Kopf. Er hatte total den Faden verloren.
»Es hängt mit der Zeit zusammen«, mutmaßte Deutsch. »Mehr weiß ich auch nicht. Es gab eine temporale Fluktuation. Meine internen Chronometer sind völlig aus dem Takt. Jetzt herrscht an Bord des Schiffs Nacht.« Die im Dunkeln glühenden Cyber-Augen ließen ihn noch roboterhafter erscheinen als sonst. »Haben wir soeben ein paar Stunden verloren !«
Legroeder zwinkerte mit den Augen. »Waren wir nicht gerade …?« Er schüttelte den Kopf. Das Erinnern fiel ihm schwer. »Wir unterhielten uns … im Besprechungszimmer.«
»Ja«, bestätigte Deutsch.
»Und ein Schatten rollte sich zusammen wie eine Welle …«
»Vermutlich eine temporale Verschiebung«, spekulierte Deutsch.
»Die Welle riss Sie mit – ehe sie über uns zusammenschlug.«
»Nach meinen Berechnungen müsste das vor zehn Minuten geschehen sein. So lange bin ich durch die Schiffskorridore gesegelt«, erklärte Deutsch.
»Haben Sie jemanden gesehen?«
»Ein paar Leute. Als sie mich bemerkten, rannten sie in die andere Richtung. Vermutlich hielten sie mich für ein Gespenst.« Deutsch scannte den Korridor. »Soll ich Ihnen verraten, was ich gern wüsste?«
»Ich wüsste gern eine ganze Menge.«
»Nun, ich frage mich, wo wir uns in dem Augenblick physisch befanden, als wir vom Besprechungszimmer hierher versetzt wurden.«
Legroeder räusperte sich nervös. »Hätten Sie vielleicht eine Theorie?«
»Das schon, aber sie wird Ihnen nicht gefallen.«
»Das glaube ich Ihnen gern.«
»Meiner Meinung nach waren wir sehr weit weg … besonders, wenn sich diese Quantenfluktuation, von der Palagren und Cantha sprechen, über ein großes Gebiet erstreckt. Möglicherweise haben wir in diesem Moment
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