Am Ende der Ewigkeit
Legroeder fixierte. »Sie haben doch wohl nicht vor, nach der Impris zu suchen, oder?«
»Tatsache ist«, entgegnete Legroeder leise, »dass ich dieses Schiff gesehen habe.«
»Sie …?« , platzte McGinnis heraus, dann verstummte er jäh. »Sprechen Sie bitte weiter.«
Legroeder nickte; in seiner Stirn breitete sich ein Schmerz aus. »Ich habe die Impris gesehen. Und ich hörte die Lügen, die man darüber verbreitet. Ich muss die Wahrheit wissen – um die Wahrheit zu beweisen . Für mich persönlich ist das von größter Bedeutung. Wenn Sie also …« Er verstummte, als er merkte, dass McGinnis' Hand zitterte.
McGinnis stellte sein halb leeres Glas auf den Tisch und starrte es an, als enthielte es die Antworten auf seine Fragen. Dann begegnete er Legroeders Blick. »Erzählen Sie mir alles«, flüsterte er.
»Wenn Sie die Berichte aus den Nachrichten kennen, dann müssten Sie wissen …«
McGinnis schüttelte den Kopf. »Erzählen Sie es mir.«
Legroeder sah zu Harriet hinüber. Welchen Nerv hatten sie hier getroffen? Tief Luft holend, schilderte er McGinnis seine Erlebnisse. Wie er die Impris sichtete. Den Angriff der Piraten. Seine Jahre in Gefangenschaft, in denen er zum Dienst gepresst wurde. Dann die Flucht. Und zum Schluss, wie der Untersuchungsausschuss der Rigger-Gilde versuchte, ihm ein Verbrechen anzuhängen. Selbst in der Kurzfassung war es eine entsetzliche Geschichte. Nachdem er geendet hatte, lehnte er sich aufseufzend zurück und versuchte, die wach gerufenen Erinnerungen wieder zu verdrängen.
McGinnis drehte das Glas in seinen Händen und dachte nach.
»Nun ja.« Er hob den Blick zur Zimmerdecke. »Sie haben Recht, ich besitze Berichte über die Impris . Seit Jahren hat sich niemand mehr die Dokumente angeschaut. Und meine Sammlung dürfte so ziemlich komplett sein. Falls man diesen Ausdruck überhaupt benutzen darf, denn schließlich haben wir nie erfahren, was wirklich mit dem Schiff geschehen ist. Außer …« – er brach ab und senkte den Blick –, »dass Sie die Berichte bestätigen, die mir seit Jahren zugetragen werden – dass die Impris von heutigen Piraten als Köder benutzt wird, um arglose Schiffe in einen Hinterhalt zu locken.« Er sah Legroeder durchdringend an. »Denken Sie mal darüber nach, was das im Zusammenhang mit diesen konstruierten Vorwürfen bedeutet, die man gegen Sie erhebt.«
Legroeder klappte den Mund auf, doch er sagte nichts.
Mit scharfer Stimme fragte Harriet: »Wären Sie bereit, uns Ihre Informationen zugänglich zu machen?«
McGinnis presste drei Finger gegen seine Stirn und verzog das Gesicht. »Ja« , zischte er – doch es klang, als spräche er zu jemand anders.
»Mr. McGinnis? Geht es Ihnen nicht gut?«
Ein gequälter Ausdruck huschte über seine Züge. »Mir fehlt … nichts. «
Harriet und Legroeder tauschten erschrockene Blicke. »Können wir vielleicht etwas für Sie tun?«
McGinnis' Augenlider flatterten. » Nein. Es geht schon wieder. Wirklich.« Er schnitt eine Grimasse. »Ich glaube, über den derzeitigen Zustand der Impris weiß ich auch nicht viel mehr als Sie. Aber wenn Sie die Wahrheit über die Vergangenheit des Schiffs erfahren wollen … zeige ich Ihnen die entsprechenden Dokumente.« Das Reden schien ihm Mühe zu bereiten. Er stemmte die Hände gegen den Tisch, als suche er Halt. Energisch reckte er das Kinn vor, und die Augen funkelten trotzig. »Es gibt nämlich nicht viele Leute, die sich für die wahre Geschichte der Impris interessieren, wissen Sie.«
»Aber genau deshalb sind wir hier«, betonte Harriet.
»Dann kann ich Ihnen geben, was Sie brauchen. Diese Unterlagen bewahre ich nur zu einem einzigen Zweck hier auf – ich will die Wahrheit am Leben erhalten. Die Wahrheiten. Dabei geht es nicht nur um dieses eine Schiff, sondern um einen größeren historischen Kontext …« – er legte eine Pause ein, als müsse er Kräfte sammeln – »über den seit mehr als hundert Jahren nichts als Lügen verbreitet wurden.«
Verwirrt schüttelte Legroeder den Kopf. »Was …?«
»Sie kamen zu mir, um mich wegen eines Schiffs zu befragen. Aber das Schicksal der Impris verstehen Sie nur vor dem geschichtlichen Hintergrund – wie ganze Welten sich des Verrats und der Ehrlosigkeit schuldig machten – sowohl im Krieg als auch im Frieden.« McGinnis' Stimme klang schneidend wie ein Messer. »Verrat und Treulosigkeit dauern an bis zum heutigen Tag – unerkannt und in keinem Geschichtsbuch erwähnt.« Er seufzte. »Das
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