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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Spaß machen.«
    »Aber da ist so vieles, was man
beachten muß.«
    »Zum Beispiel die Tatsache, daß Sie
Ihre Flughöhe auf elf hundert Fuß haben absinken lassen. Wo ist Ihr
Notlandeplatz?«
    »Gleich da drüben.«
    »Ausgeschlossen, aus dieser Höhe im
Gleitflug dorthin zu kommen. Sehr wahrscheinlich würden Sie in dem Bachbett da
enden — typischer Fall von Pilotenfehler.«
    »Gott!«
    »Sie wissen ja, McCone, Pilotenfehler
sind die häufigste Ursache tödlicher Flugunfälle. Was Sie also zu tun haben,
ist, sie sowohl zu vermeiden als auch zu korrigieren. Nicht schlimm, wenn man
einen Fehler macht, vorausgesetzt, man korrigiert ihn schleunigst.«
    »Ich korrigiere ja schon. Zeit, uns bei
Cloverdale zu melden.«
    » Cloverdale ist gesperrt.«
    »Was? Warum?«
    »Weil ich es sage. Also, wo wollen Sie
hin?«
    »Verdammich, Matty!«
    »Sie müssen lernen, in Alternativen zu
denken. Die Situation ist oft nicht so, wie man’s erwartet hat.«
    »Okay! Also gut. Lampson in Lake County
liegt genau ostwärts. Ich habe mehr als genug Treibstoff, um hinzukommen .«
    »Also, worauf warten Sie noch?«
     
    »Matty, ich habe noch mal über diese
Pilotenfehlersache nachgedacht. In gewisser Weise ist es auch tröstlich.«
    »Langsam kapieren Sie.«
    »Wenn ich meine Lizenz habe, liegt
alles in meiner Hand. Ich muß mich an die Vorschriften halten und meinen Kopf
benutzen, damit meine Passagiere und meine Maschine heil ankommen. Und wenn
eine Krisensituation eintritt, muß ich damit umgehen. Es liegt bei mir und bei
sonst niemandem.«
    »Und was lernen Sie daraus über die
Leute, die fliegen?«
    »Wir mögen verrückt sein, aber wir
haben jedenfalls keine Angst, die Verantwortung für unser Tun zu übernehmen.«

 
     
     
     
    Vierter Teil

3.-5.
Dezember
     
     

19
    Dienstag morgen, Flughafen Chisbolm-Hibbing,
Minnesota
     
    Ein ausgestopfter Schwarzbär, der gut
und gern fünf Zentner gewogen haben mußte, stand auf einem flachen Podest in
einer Ecke des kleinen Terminalgebäudes. Ein ziemlich surrealer Anblick um halb
zehn Uhr morgens, nach einer mehr oder minder durchwachten Nacht. Ich steuerte
auf das Tier zu, um es mir genauer anzuschauen, während Hy weiterging, um nach
der Flugzeugvermietung zu fragen. Der Bär war tatsächlich echt. Ich drehte mich
kopfschüttelnd um und sah Hy am Mietwagenschalter mit einer Frau sprechen.
    Vor dem Ausgang zum Parkplatz trafen
wir uns wieder. »Die Vermietungsfirma heißt Aeroventure«, sagte er. »Laß uns
hinspazieren, während sie unser Gepäck ausladen. Willst du das Reden
übernehmen, oder soll ich?«
    »Ich mach’s, ich habe mir schon eine
Geschichte zurechtgelegt. Spring du ein, wenn ich irgendwas Dummes sage.«
    »McCone, ich habe dich schon seltsame
Sachen sagen hören, aber dumme? Nie.«
    Das Glühen, das seine Worte auslösten,
schützte mich vor der Kälte, als wir hinaustraten, allerdings nur kurz. Die
Temperatur mußte etliches unter Null liegen. Es hatte frisch geschneit, und
während der Parkplatz geräumt war, hatten viele Autos einen weißen Überzug, wie
eingelagerte Möbel, die man mit Laken verhängt hatte. Die Kälte stach mir in
Gesicht und Nasenlöcher, und die Jeans und die Jacke, die in Kalifornien mehr
als ausreichend gewesen waren, fühlten sich lächerlich dünn an. Ich sehnte mich
nach den wärmeren Sachen in meinem Koffer. Zu blöd, daß wir unser Gepäck hatten
abgeben müssen, aber auf Linienflügen sind Schußwaffen in Gepäckstücken zu
transportieren, die in den Frachtraum kommen. Und in Anbetracht der Umstände
hatten wir unsere Pistolen nicht zu Hause lassen wollen.
    Wir gingen auf einen geräumigen Hangar
zu, an den ein einstöckiges Gebäude anschloß. Die Maschinen auf den
benachbarten Abstellplätzen zitterten und ächzten im kalten Wind; Tragflächen
und Rümpfe waren mit Reif überzogen. Reif war vergleichsweise leicht zu entfernen,
aber tödlich für die Außenhaut, wenn man es nicht tat — und er war eine Warnung
vor möglicher Vereisungsgefahr. Und Eis, ob Klareis oder Rauheis, konnte für
Flieger tödlich sein. Gott sei Dank war Hy das Fliegen bei kaltem Wetter
gewohnt, da seine Ranch in der Hochwüste lag, wo es oft schneite. Er nahm meine
Hand, und wir rannten die letzten paar Meter zum Vermietungsbüro. Drinnen war
es warm, die Fenster waren beschlagen. Der Duft von frischgebrühtem Kaffee ließ
mich schnüffeln wie ein Jagdhund; ich hatte mir in Minneapolis einen großen
Becher mit ins Flugzeug genommen, aber mein erschöpfter

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