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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Gefühl machte
sich unter meinem Brustbein breit, und der kalte Wind, der hier an
Winternachmittagen immer blies, ließ mich frösteln. Hy legte den Arm um meine
Schultern.
    Ich sagte: »Wenn wir wissen wollen, was
aus Walker geworden ist, und wenn wir eine Chance haben wollen, die Sache mit
Matty irgendwie für uns abzuschließen, dann bleibt uns nur eins: uns Dune
Stirling selbst zu schnappen.«
    »Nichts lieber, aber wie zum Teufel
sollen wir rauskriegen, wo er steckt?«
    »Keine Ahnung, aber ich glaube, wir
sollten uns noch mal Seabrooks Haus vornehmen.«
     
    Wir borgten uns Bob Cudas Wagen aus und
setzten Zach zu einem Besuch bei den Paynes auf der Baumfarm ab. Dann fuhren
wir zu dem Haus, und ich öffnete die Tür mit dem Schlüssel, den Payne mir
überlassen hatte. Drinnen war es kalt, und in den Räumen hing noch die
Feuchtigkeit von dem Regen letzte Woche; bis auf das leise Brummen des alten
Kühlschranks umfing uns Stille. Im Eingangsflur fühlte ich meine Trauer und
meinen Zorn wieder aufleben.
    Nie wieder würde Matty diesen Flur
entlanggehen und ihre Post achtlos auf den Küchentisch werfen. Nie wieder würde
sie die Stereoanlage im Wohnzimmer aufdrehen und falsch mitsingen, wenn niemand
in Hörweite war. Nie wieder würde sie das Haus mit dem Duft ihres berühmten Knoblauchbrots
füllen. Oder lachend, aber liebevoll von den jüngsten Heldentaten ihrer Schüler
erzählen. Oder Zach ein besonders leckeres Pausenvesper für die Schule
einpacken. Oder...
    All die vielen Dinge, die ich nie
selbst miterlebt hatte, von denen ich aber wußte, daß sie sie getan haben
mußte.
    »Wo fangen wir an?« fragte Hy.
    »Meine Theorie ist: Im Zweifel immer
rechts halten.«
    Zu unserer Rechten lag der Raum mit
Mattys Schreibtisch, der Fliegerbibliothek und den Fitneßgeräten. Wir traten
ein, und ich faßte Hy leicht am Arm. »Bleib einfach stehen und sieh dich um.
Außer der Unordnung — fällt dir irgendwas Ungewöhnliches auf?« Er tat, wie ihm
geheißen, und sagte dann achselzuckend: »Kann ich nicht sagen, ich war nie hier
bei ihr.«
    »Irgendwo in diesem Haus muß doch was
sein, was uns einen Hinweis darauf gibt, wo Walker hin wollte.« Ich musterte
den Raum, unterteilte ihn in Segmente. Als ich zu dem vollgehäuften Tisch kam,
registrierte ich einen Stapel Kochzeitschriften, ein paar Weihnachtskataloge,
einen Korb mit Garnen und sonstigem Nähzeug, eine zum Säumen umgesteckte Jeans,
eine Wegwerfkamera und Mattys Kursplotter.
    Ich ging rasch hin und nahm den Plotter
in die Hand, wobei ich sorgsam darauf achtete, das runde Teil mit den Pfeilen,
das den korrigierten Kartenkurs anzeigt, nicht zu verstellen. Ich hatte den
Plotter neulich schon bemerkt, als ich hier gewesen war, mir aber weiter nichts
dabei gedacht. Jetzt ertönte jedoch Mattys Stimme in meinem Kopf: »Ich habe
schon seit zehn Monaten keinen Überlandflug in unbekanntes Terrain mehr
gemacht; wahrscheinlich habe ich schon vergessen, wie man einen Kurs zeichnet.«
    Sie war keine ordentliche Hausfrau
gewesen, aber ich bezweifelte doch, daß sie den Plotter vor über zehn Monaten
auf ihren Schreibtisch geworfen und bis jetzt dort liegengelassen hatte. Und
ich bezweifelte auch, daß sie dieses Instrument benutzt hätte, wenn sie einen
Kurs hätte zeichnen müssen. Plotter werden hauptsächlich von Flugschülern
benutzt — oder von Leuten, die etliche Jahre nicht im Flugbetrieb drin waren.
Leuten, die in Sachen Navigation ein bißchen nervös sind und auf Nummer Sicher
gehen wollen.
    John Seabrook, alias Ash Walker.
    Ich inspizierte das durchsichtige
Plastikinstrument genauer. Ein lila Strich zog sich die gerade Kante entlang.
Ich rieb darüber und schnupperte an meinen Fingern. Fettkreide, dieselbe Farbe,
mit der Wes Payne Preisschilder für die Weihnachtsbäume geschrieben hatte. Ich
prüfte den Steuerkurs: io Grad, wenn man nach Nordosten zu fliegen gedachte,
190 Grad, wenn man nach Südwesten wollte. Ein kleiner Querstrich an der geraden
Kante, ebenfalls mit Fettkreide, markierte eine Entfernung von 46 Seemeilen.
    »Ripinsky, ich glaube, Ash Walker hat
dieses Ding hier benutzt, um einen Kartenkurs einzuzeichnen.« Ich zeigte ihm
den Plotter und erklärte ihm, was es mit der lila Fettkreide auf sich hatte. »Ich
schätze, er hat sich den Plotter ausgeborgt, ihn mit ins Verkaufsbüro genommen,
dann wieder zurückgebracht und hier liegenlassen. Matty hatte ihn vermutlich im
Regal liegen, bei ihrem Flugrechner. Vielleicht wollte er ihn ja

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