Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
nämlich, ob wir es nicht aufführen sollen.»
«In der Theater- AG ? Aber wir hatten uns doch für das
Gespenst von Canterville
entschieden?» Martha ist enttäuscht. Sie hatte das Bühnenbild, für das sie in der Theater- AG zuständig ist, schon im Kopf, düstere Schlossmauern, Ahnenporträts in goldenen Rahmen, Ritterrüstungen …
«Ich weiß, Martha, aber nun sind auch noch Vincent und Leon abgesprungen, weil der Termin mit ihrer Ruder- AG kollidiert, also brauchen wir ein Stück, das mit weniger Personal auskommt. Außerdem ist das Stück von Oscar Wilde zwar ganz nett, aber eher was für Jüngere, findest du nicht?» Wieder lächelt er Martha auf eine Art und Weise an, dass sie weiche Knie bekommt. Unwillkürlich zieht sie den Rock herunter.
«Aber natürlich müsst ihr alle damit einverstanden sein.»
Jill, die vor der Tür auf Martha gewartet hat, kommt in die Klasse. «Wenn ich die Blanche spielen darf, bin ich dafür.»
Miller sieht sie prüfend an. «Ich könnte mir keine bessere Besetzung vorstellen.»
Er erhebt sich. «Wir besprechen das dann Mittwochnachmittag.»
«Wolltest du nicht die Theater- AG sausenlassen?», fragt Martha, nachdem Miller gegangen ist.
Jill zieht eine Augenbraue hoch. «Für so eine Rolle würde ich nicht nur töten, ich ertrage auch Babyface Miller.»
«Er ist kein Babyface», sagt Martha gekränkt.
«Sei doch froh, dass er nicht mein Typ ist», erwidert Jill und zieht Martha aus der Klasse. «Ich brauch jetzt dringend ’ne Kippe.»
Als Martha die Wohnungstür aufschließt, hört sie aus der Küche das Klappern von Geschirr. Ihre Mutter räumt die Spülmaschine aus, das bedeutet Ärger, denn das ist Marthas Aufgabe. Das war schon in der alten Wohnung so, aber hier fühlt sich Martha nicht zuständig – für nichts.
Um ihre Mutter nicht noch wütender zu machen, ruft sie: «Warte, ich helfe dir.»
Sie stellt den Rucksack an ihrer Zimmertür ab und geht zu Constanze in die Küche.
«Es ist doch wirklich nicht zu viel verlangt, wenn du einmal am Tag die Spülmaschine ausräumst, oder?»
«Ich hätte es ja noch gemacht, aber heute Morgen war keine Zeit.»
Ihre Mutter dreht sich zu ihr um. «Du könntest ja einfach mal früher aufstehen, dann gäb’s auch nicht immer diesen Stress im Bad.»
Martha verzieht das Gesicht und will etwas erwidern, da fällt ihr auf, wie ruhig es ist. «Wo ist denn der Daumenlutscher?»
«Poppy ist beim Kindergeburtstag. Und ich will nicht, dass du sie so nennst.»
«Ach, findest du es etwa normal, dass eine Fünfjährige praktisch ununterbrochen am Daumen nuckelt?»
«Sie ist noch nicht fünf.»
«Aber fast.»
«Wie oft soll ich es dir noch sagen, Martha, das Kind ist traumatisiert. Sie hat hinten auf dem Rad gesessen, als der Unfall passierte.»
«Das ist doch zwei Jahre her, da erinnert sie sich bestimmt nicht mehr dran», sagt Martha und hält unschlüssig ein furchtbar kitschiges Milchkännchen in der Hand. «Soll ich das mal eben fallen lassen?»
Ihre Mutter reißt es ihr aus der Hand. «Bist du verrückt? Das stammt von Poppys Oma.»
Martha stellt es heftig auf den Tisch. «Dann räum du es weg, ich hab keine Ahnung, wo es hinkommt.»
«Langsam solltest du wissen, wo alles steht.»
Martha zuckt mit den Schultern.
Constanzes Stimme wird laut. «Du benimmst dich, als wären wir hier zu Besuch, aber wir leben hier!»
«Du vielleicht, ich nicht», sagt Martha und ist stolz darauf, wie gelassen sie bleibt.
Ihre Mutter atmet tief durch und versucht ein Lächeln. «Martha, bitte! Ich will mich nicht schon wieder mit dir streiten.» Sie zeigt auf einen Strauß Sonnenblumen, der in Papier eingewickelt auf dem Küchentisch liegt. «Stellst du die ins Wasser? Ich dachte, wenn sich der Sommer draußen schon verabschiedet, holen wir ihn uns eben in die Wohnung.»
Martha zieht eine Kristallvase aus dem Küchenschrank.
«Nimm lieber die blaue, sieht schöner aus zu dem Gelb», sagt Constanze.
«Aber die gehört nicht uns», sagt Martha. Jetzt klingt sie wie ein bockiges kleines Kind.
Ihre Mutter erwidert nichts, sondern füllt die blaue Vase mit Wasser. Lieblos stopft Martha die Blumen hinein.
«Was gibt’s denn zu essen?», fragt sie.
Constanze öffnet den Kühlschrank. «Soll ich eine Pizza in den Ofen schieben? Peperoni oder Champignon?»
Martha möchte erst ablehnen, ein Salat wäre bestimmt gesünder, aber sie hat Hunger. Und wie.
«Peperoni, die Pilze schmecken immer wie Gummi.»
Als sie kurze Zeit später mit
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