Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
Musik macht.»
Jill runzelt die Stirn. «Du hast doch gesagt, er war Patient bei der Dernburg. Vielleicht hat er ihr da was erzählt, das keiner wissen soll.»
«Gibt es nicht so was wie ein Arztgeheimnis?»
«Bei richtigen Ärzten schon, aber bei Psychologen? Vielleicht hat er bei einem Patienten gepfuscht, und der ist gestorben, und sie wollte das an die große Glocke hängen.»
Martha schüttelt den Kopf. «Aber in der Zeitung stand doch, dass jemand die Praxis von der Dernburg durchsucht hat. Wenn er das gewesen wäre, hätte er doch seine Akte verschwinden lassen.»
«Du hast recht», sagt Jill enttäuscht, doch dann sprühen ihre Augen vor Begeisterung. «Du, vielleicht hat er ja was mit ihr gehabt!»
«Mit der Dernburg? Die hättest du mal sehen sollen, die war uralt.»
«In der Zeitung stand, sie war 65 , das ist nicht uralt. Außerdem gibt es Männer, die stehen auf ältere Frauen», sagt Jill etwas von oben herab.
«Aber sie hat ihn doch gesiezt. Den Mörder, meine ich. Sie hat gesagt: ‹Ich gebe Ihnen fünf Minuten, nicht eine Minute länger.› Ich hab’s genau gehört.»
«Es gibt zig Gründe dafür, jemanden umzubringen», sagt Jill in einem Ton, als hätte sie Erfahrung im Morden. «Pass mal auf, am Ende wird die Glatze heute noch verhaftet.»
«Das wäre super», sagt Martha, doch dann korrigiert sie sich. «Nein, das wäre überhaupt nicht super, dann hätten wir ja das Monster am Hals.»
«Die kommt ins Heim», sagt Jill.
«Das würde meine Mutter nie zulassen.»
«Bist du dir da sicher? Ich meine, wenn sich rausstellt, dass ihr Freund ein Mörder ist, dann will deine Mutter mit dem doch bestimmt nichts mehr zu tun haben und mit seiner Tochter auch nicht.»
So hat Martha das noch gar nicht betrachtet. Und noch etwas fällt ihr ein. «Vielleicht hab ich Johannes gehört, als ich da im Schrank steckte! Als er nämlich kurze Zeit später nach Hause gekommen ist, sah er völlig fertig aus.»
«Kein Wunder, wenn man gerade jemanden umgebracht hat», sagt Jill. «Wäre natürlich blöd, wenn die Polizei jetzt von allein draufkommt, wer der Mörder ist, dann kannst du ihn nicht mehr erpressen.»
«Ich könnte Johannes sowieso nicht erpressen», sagt Martha. «Der hat kein Geld.»
«Ich denke, der ist Arzt.»
«Ja, aber die Ärzte im Krankenhaus verdienen nicht viel.»
«Das ist schlecht», sagt Jill. «Sehr schlecht.»
Den Rest des Tages kann sich Martha nicht auf den Unterricht konzentrieren, sie muss die ganze Zeit daran denken, was wohl passiert, wenn Johannes ins Gefängnis kommt. Nachher trennt sich ihre Mutter doch nicht von ihm, wartet darauf, bis er entlassen wird und kümmert sich so lange um die Nervensäge. Das wäre dann ja noch schlimmer als jetzt.
«Sei später pünktlich», sagt Jill bei Schulschluss zu ihr. «Wir treffen uns um halb sechs.»
Zuerst weiß Martha gar nicht, was Jill meint, dann fällt es ihr wieder ein. Heute Abend ist ja die Premiere des Stückes! Die Geschichte mit Johannes hat sie völlig durcheinandergebracht, wie soll sie sich da auf ihre Rolle konzentrieren?
«Guck mal raus!», flüstert Jill, die den Vorhang ein Stück aufhält. «Brechend voll!»
Martha schielt an ihr vorbei in den Zuschauerraum. Sie sucht ihre Mutter, kann sie aber nirgendwo erkennen, aber dafür hört sie etwas: «Wo is denn Maahta? Wo is meine Schwester?»
Martha zuckt zurück. Wieso ist Poppy da? Was hat ihre Mutter bloß geritten, das Monster mitzubringen? Am Ende stört die mit ihrem Gekreische die ganze Aufführung.
«Meine Mutter hat Penelope dabei», sagt Martha zu Jill. «Ich fass es nicht!»
Jill beugt sich vor. «Wo denn?»
«Da vorn, in der dritten Reihe ganz links.»
Jill späht durch den Spalt im Vorhang. «Die sieht aber süß aus mit ihren Zöpfchen.»
Martha möchte etwas erwidern, aber Miller ruft: «Alles auf Position. Ihr habt nur noch drei Minuten.»
Jill verschwindet, Martha setzt sich auf die wacklige Treppe und hofft, dass sie nicht wieder zusammenbricht. Tobias, der seitlich hinter der Bühne vor seinem Mischpult hockt, setzt sich die Kopfhörer auf, hebt die Hand und fährt langsam einen Regler hoch.
Die Musik beginnt. Im Zuschauerraum wird es still. Miller in einem grellgrünen Bowlingshirt geht an Martha vorbei hinter die Bühne, nicht ohne ihr aufmunternd zuzuzwinkern.
Der Vorhang öffnet sich, und Martha ist froh, dass der Zuschauerraum im Dunkeln liegt und sie niemanden erkennen kann. Sie schaut ins Nirgendwo und versucht
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